Zwei Leben in Deutschland, Hans Rosenthal, Autobiografie

Ich gehöre noch zu der Generation, die Samstagabend als Kind mit meiner Oma vor dem Fernseher ›Dalli Dalli‹ gesehen haben. Und wenn immer die Kandidaten besonders gut waren, sprang der kleine sympathische Showmaster in die Luft und rief: Das war spitze! Die Zeiten der Spiel- und bunten Unterhaltungsshows sind lange vorbei, ihre Stars sind gestorben, genau wie meine Oma.

Zum hundertsten Geburtstag von Hans Rosenthal, der leider schon 1987 verstarb, brachte der Quadriga Verlag seine 1980 erschienene Autobiografie erneut heraus. Da war es ein Muss für mich, über die zwei Leben des Entertainers und der noch so viel mehr war, zu lesen. Und es hat mich umgehauen, denn ich wusste bis dato nichts von dem anderen Leben, das Hansi, wie er genannt wurde, in Deutschland hatte. Hans Rosenthal war als jüdischer Junge und Jugendlicher bitter von den Schergen der Nationalsozialisten verfolgt worden. Er war jedoch immer zur rechten Zeit nicht am falschen Ort gewesen und entging so mindestens drei Mal der Deportation in ein Konzentrationslager. Aber es war wahrscheinlich nicht nur pures Glück. Durch seine flinke und fröhliche Art, durch die dem späteren Showmaster ebenfalls die Herzen zuflogen, fanden sich immer wieder Menschen, die ihn versteckten und ihre kargen Lebensmittel mit dem jüdischen Jungen teilten. So blieb Hansi am Leben, während sein zehnjähriger kleiner Bruder die Todesreise in ein Lager antreten musste.

Eine sehr bewegende Autobiografie, über die Zerstörung einer Familie, Schicksalsschläge und den Nazi-Terror an den Juden. Aber auch über den starken Lebenswillen, der Hans Rosenthal in der damaligen Ostzone erst beim Berliner Rundfunk prägte und später bei Rias Berlin,  der von den Amerikaner gegründet wurden, erfolgreich werden ließ. Die Geschichte eines Menschen, für den Aufgeben selbst in den schlimmsten Zeiten keine Alternative war.

Hans Rosenthal, 1925 in Berlin geboren, war Regisseur, Moderator und Entertainer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs macht er Karriere beim RIAS, einem von den Amerikanern gegründeter Rundfunksender in West-Berlin. Hier erfand er zwischen 1950 und 1980 Dutzende erfolgreiche Rate- und Unterhaltungssendungen. Zeitgleich entwickelte er sich zu einem der beliebtesten TV-Entertainer des Landes. Die von ihm moderierten Sendungen wie ›Dalli Dalli und Gut gefragt, ist halb gewonnen‹ begeisterten Millionen. Er wurde u.a. mit der Goldenen Kamera, dem Bambi und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 1987 starb Hans Rosenthal in Berlin.

Geboren wurde Hans Rosenthal in eine Mittelstandsfamilie in Berlin. Sein Vater ein angesehener Bankangestellter bei der Deutschen Bank, seine Mutter Hausfrau. 1937 verliert er seinen Vater an ein Nierenleiden, kurz vorher war der entlassen worden, weil der Druck auf die Bank zu groß wurde, keine jüdischen Mitarbeiter mehr zu beschäftigen. Hans ist erst siebzehn und sein Bruder Gerd gerade mal neun Jahre alt, als auch die Mutter an Krebs stirbt. Vom Waisenhaus müssen die Großen zum Arbeiten bei Bauern, auf dem Friedhof und anschließend in eine Konservenfabrik. Doch der SA-Mann, dem diese Fabrik gehört, erweist sich als Glück für den jungen Rosenthal. Er behandelt in fair und schützt ihn sogar, indem er ihn mit ins Pommersche nimmt. So ist Hans auch nicht im Kinderheim, als der 21. Ost-Transport am 19. Oktober 1942 seinen zehnjährigen Bruder Gerd mit in den Tod nimmt.

Ein ausgehungerter jüdischer Teenager verlässt in der letzten Aprilwoche 1945 die Laubenkolonie, in der er versteckt überlebt hatte. Als die Russen den Berliner Rundfunk wieder zum Leben erwecken, ist Hans von der ersten Stunde mit dabei. Klever und gewitzt, wie er ist, arbeitet er sich Schritt für Schritt hoch zum Regieassistenten. Doch dort herrschende ungerechte Sozialismus, der alles andere als sozial war zu den Angestellten, wird Hans Rosenthal, der sich nicht verbiegt oder unterbuttern lässt zu wider. Als man ihn abstraft, für verschieden Betriebsratsunternehmungen kündigt er zum 30. Juni 1948 beim Berliner Rundfunk. Mittlerweile ist der junge Mann verheiratet. Dass mit dieser Kündigung sein zweites Leben, eine Riesenkarriere starten wird, ließ sich Hans Rosenthal damals nicht träumen. Bereits am 1. Juli 1948 beginnt er bei Rias Berlin, der im Westsektor den Amerikaner unterstellt ist. Es gibt einige Rückschläge, sogar Sendekatastrophen, bis endlich der große Durchbruch kommt. Doch Hansi Rosenthals Devise ist und bleibt: Davon geht die Welt nicht unter.

So möchte ich die Besprechung dieser hochinteressanten Autobiografie mit den Worten des Autors beenden: Zitat: »Und wenn mir die Kinder der Nachbarschaft ›Dalli Dalli‹ nachrufen, dann denke ich: Ja, ich habe mich eigentlich immer beeilt in meinem Leben. Nicht um dem Glück nachzulaufen, sondern, um dem Unglück zu entgehen. Und dabei bin ich dann dem Glück begegnet.« Zitat Ende

Zwei Leben in Deutschland, Hans Rosenthal, Autobiografie, Quadriga Verlag, gebundenes Buch, Seiten 376, ISBN 978-3-86995-156-0, Buch Euro 23,00, Neuerscheinung 28. Februar 2025.

 

 

 

 

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