Klaus Bädekerl: Die letzte Favoritin

Klaus Bädekerl, ein erfahrener Geschichtenerzähler und Drehbuchautor mit Oscar-Nominierung, hat sicherlich nicht zufällig die Form und den Stil seiner Erzählung gewählt, die an die Fernsehspiele der 60iger und 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert. Es ist ein reizvoller Kontrast. Auf der einen Seite ein Mann in den Achtzigern, der sich mit einem Gutachter auseinandersetzt, um die von seiner Tochter Melanie beantragte Entmündigung abzuwehren und auf der anderen Seite dieser alte Mann, der sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und virtueller Realität seine Traumfrau erschafft. Das Treffen mit dieser Traumfrau hätte ihm fast das Leben gekostet, dennoch will er sie wiedertreffen, was seine Tochter notfalls mit der Entmündigung verhindern will. Der alte Mann hat sich gut auf den Termin mit dem Gutachter vorbereitet. Er ist zynisch, sarkastisch, arrogant. Er fühlt sich dem Mann, dem er seine Lebensgeschichte erzählt, überlegen. Letztlich ist es aber nicht seine Traumfrau, „Die letzte Favoritin“, die ihn in diese Situation gebracht hat. Es ist – ich nenne es mal seine Leidenschaft – die ihn von frühester Jugend an begleitet: seine Sucht nach Selbstbefriedigung, die stete Suche nach nackten Frauenbildern, die er in seinem Schulatlas vor den Augen seiner Mutter versteckt. So ist wohl die Umschlaggestaltung des Buches mit den entzückenden Abbildungen von Liebesmarken oder auch Glanzbildern als Anspielung auf den Schulatlas zu sehen: Inhalt und Verpackung sind in beiden Fällen nicht im Einklang. Der „Explorand“ erzählt sachlich bis distanziert, aber: es geht um nicht weniger als sein Leben, seine Selbstbestimmung und so versucht er, den Gutachter auf seine Seite zu ziehen, ist bemüht, den Eindruck einer normalen Kindheit und Beziehung zu den Eltern zu erwecken, erzählt von seiner ersten Liebe, von seinem ersten Sex. Seine Leidenschaft wird zur Belastung für die Ehe, seine Frau reicht die Scheidung ein. Seine Tochter sieht von klein auf ihren Vater sich selbst befriedigen, vermutlich ist sie traumatisiert und versucht sich von den bösen Geistern zu befreien.

Bädekerl lässt offen, wie das Urteil ausfällt. Seine letzte Frage „Sprechen Sie Ihr Urteil. Soll ich jetzt entmündigt werden oder nicht?“ bleibt unbeantwortet.

Klaus Bädekerl, geboren 1947 in Augsburg, hat zwei Romane, mehrere Erzählungen und viele Drehbücher geschrieben. Ein Film („Die gläserne Zelle“), den er zusammen mit dem Regisseur geschrieben hat, wurde für einen Oscar nominiert. Klaus Bädekerl lebt in München

„Die letzte Favoritin“ ist die bizarre Geschichte eines alten Mannes, den seine Tochter entmündigen lassen will. Er erzählt einem Gutachter sein Leben. Wie er in den Fünfzigerjahren aufwächst und sich in der Pubertät auf die Suche nach Bildern nackter Frauen macht und nur die Aktgemälde in den Kunstbänden seiner Eltern zu Gesicht bekommt. Danach sind es die Damenunterwäscheseiten der Versandhauskataloge, dann die Starlets in den Illustrierten und schließlich die halbnackten Gespielinnen in den Herrenmagazinen und ab Ende der Sechzigerjahre Pornodarstellerinnen, die ihn, den Mathematikstudenten, befriedigen. Es kommt zum Streit mit seinem Doktorvater, weil er sich bei seiner Beweisführung von einem Computer hat helfen lassen. Statt seinen Doktor zu machen, gründet er eine Softwarefirma und wird mit ihr Milliardär. Am Ende seines Lebens erfüllt er sich mit Hilfe Virtueller Realität und Künstlicher Intelligenz seinen Traum. Und er begegnet der Frau, die wiederzusehen ihm seine Tochter verwehren will. „Bädekerls Text ist, gerade weil er auf den ersten Blick unzeitgemäß ist, ein feiner zeitgemäßer Kommentar auf die aktuelle Debatte um männliches Erzählen.“ Marvin Baudisch

Edition W –gebunden – 130 Seiten – 20,00 € – ISBN  978-3-9496-7118-0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert