Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen ist schwierig. Nichts von dem, was man im Leben gelernt und erlebt hat, bereitet darauf vor, selbst wenn dem endgültigen Abschied eine lange Krankheit vorausgeht. Im Fall von John Bayley und Iris Murdoch war es ein Abschied auf Raten, der sich über 5 Jahre hinzog. Iris Murdoch, diese brillante britische Schriftstellerin, von der Queen für ihre Werke geadelt, erkrankte an Alzheimer in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Zumindest in Deutschland war zu dem Zeitpunkt nicht viel über diese Krankheit bekannt, weitläufig sah man sie als Folge von übermäßigem Alkoholmissbrauch, weshalb Angehörige aus falscher Scham die Diagnose verschwiegen und dadurch unweigerlich in die Isolation gerieten. Wie sie oder die Lebenspartner, die den Mut hatten mit der Diagnose offensiv umzugehen, wie sie die Zeit an der Seite der Erkrankten erlebten, ist wenig bekannt. Nun, jeder hat seine Art mit dem Schicksal umzugehen. Und auch wenn es naheliegend ist, dass ein Schriftsteller wie John Bayley sein Leben an der Seite von Iris Murdoch be- und niederschrieb, wird es ihm Mut und Kraft abverlangt haben, sich der Realität zu stellen. Nämlich, dass ein strahlender, intelligenter, intellektueller Mensch, mit dem man 40 Jahre auf Augenhöhe war, vergisst und für den damit die Umwelt bedeutungslos wird. Sicher einer der schmerzvollsten Momente, wenn dieser Mensch auf dem Weg in die Dunkelheit irgendwann seine Liebsten nicht mehr erkennt. Ein schwieriger und schwerer Weg für die Beteiligten: die eine Person, die weiß, dass ihr Weg ins Dunkel führt und die andere Person, die dabei zusehen muss. Vermutlich half es ihm, sein Leben an Iris Murdochs Seite aufzuschreiben, sich an den Beginn ihrer Liebe zu erinnern, an die gemeinsamen 4 Jahrzehnte Seite an Seite. Einfühlsam, voller Liebe ohne jegliches Pathos beschreibt Bayley diese Zeit aus der Erinnerung, während er sich für die letzte Lebenszeit von Iris Murdoch auf seine Tagebucheintragungen stützt. Aufrichtig verschweigt er nicht seine Wut darüber, wie ihn seine täglichen Aufgaben an seine Grenzen bringen, wie er die Veränderung der eigenen Position innerhalb der Beziehung vom Partner zum Pfleger empfindet und wie es ihn überforderte zuzusehen, wie diese Frau, die ihn seit mehr als 40 Jahren faszinierte, unwiderruflich in die Dunkelheit schritt. Beeindruckend und gleichsam bewegend, wie diese gefestigte Liebe Murdoch und Bayley durch diese schmerzvolle Zeit des langen Abschieds trägt.
25 Jahre nach der deutschen Erstveröffentlichung hat der C.H. Beck Verlag Elegie für Iris nun als Taschenbuch neu aufgelegt. Vielen Dank dafür, denn John Bayleys „Elegie für Iris“ ist die berührende Geschichte einer großen Liebe, ohne Verfallsdatum, zeitlos und allgemeingültig.

Foto: Rex Features
John Bayley (1925 – 2015) war u.a. Professor für Englisch an der Oxford University, Fellow of St. Catherine’s College und Chairman of the Booker Prize Committee. Er war ein bedeutender Literaturwissenschaftler und –kritiker, Schriftsteller und Verfasser etlicher literaturwissenschaftlicher Werke und Romane.
Barbara Rojahn-Deyk arbeitet seit 1986 als literarische Übersetzerin aus dem Englischen. Für C.H. Beck übersetzte sie u.a. Bücher von Monique Truong, Anthony Doerr, Ben Faccini, Shena Mackay und Paul Broks.
John Bayley erzählt in «Elegie für Iris» zutiefst anrührend die Geschichte seiner Ehe mit Iris Murdoch, einer der bekanntesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit, die an Alzheimer erkrankt. Bayley und Murdoch lernen sich 1953 in Oxford kennen. Er ist 28 Jahre alt, ein kluger, etwas naiver junger Mann, der soeben seine Promotion abgeschlossen hat, sie ist 34 Jahre, Philosophiedozentin am St. Anne’s College, eine sehr eigenständige, lebenserfahrene Persönlichkeit. Nach einer leidenschaftlichen Liebesaffäre heiraten die beiden. Ihre Ehe ist von tiefer Zuneigung, Sympathie und gegenseitigem Vertrauen geprägt. Das gemeinsame Leben wird auf tragische Weise beeinträchtigt, als deutlich wird, dass Iris Murdoch an Alzheimer leidet. Unaufhaltsam gleitet sie in das Dunkel der Krankheit ab. Und dennoch gelingt es John Bayley, ein stets humorvolles, einfühlsames und dabei niemals verklärendes Portrait einer unvergleichlichen Liebe zu zeichnen.
C.H.Beck – Softcover – 260 Seiten – 18,00 € – ISBN 978-3-406-83223-9