Stella Benson war definitiv ihrer Zeit weit voraus, sowohl als Schriftstellerin, als Feministin und auch als Mensch, der 1892 geboren wurde. Und das spiegelt sich in dem Buch Zauberhafte Aussichten in jedem Satz. Denn es hat eine abstruse Schönheit, wie man das von Picassos und Dalis Bildern kennt. Es ist gesellschaftskritisch gleich der Achtundsechziger-Bewegung, dabei feministisch wie die Achtziger und dennoch völlig aus der Zeit gefallen. Die Geschichte ist ein wilder Ritt einer Frau in London zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Als Dame in der Gesellschaft, dem Komitee und der Moral verpflichtet, manifestiert man sein Dasein mit Wohltätigkeit. Nur Sarah Brown ist anders, war immer anders und findet ihren Platz nicht. Bis eine Hexe während einer Sitzung des Komitees erscheint und Sarah einlädt, bei ihr zu wohnen.
Viel treffender als es die Daily Mail vor über hundert Jahren zu dem Buch schrieb, vermag ich es auch nicht auszudrücken: ›Alle, die mit Humor etwas anfangen können, alle, die von Schönheit verzückt werden, alle, die Gefallen an Allegorien finden, die uns abwechselnd zu Gelächter und zu Tränen rühren, sollten sich unverzüglich Zauberhafte Aussichten beschaffen.‹
Autorinnenfoto: © bpk / National Portrait Gallery, London / Bassano Ltd
Stella Benson (1892-1933) war eine englische Feministin, Romanautorin, Dichterin und Reiseschrifstellerin. Sie setzte sich für das Frauenwahlrecht ein und war während des ersten Weltkriegs in der Wohlfahrt tätig. Als Schriftstellerin wurde sie u.a. von Kolleginnen wie Katherine Mansfield und Virginia Woolf bewundert. In ihren Werken verbindet sie das Phantastische mit Realismus sowie humoristischen und satirischen Elementen und widmet sich immer wieder dem Thema Isolation und Einsamkeit. Sie erhielt für ihr Schreiben den französischen Prix Femina – Vie Heureuse sowie die Benson-Medaille.
Man mag fast nicht den Inhalt wiederzugeben, darum überlasse ich das dem Klappentext des Buches:
»Die junge Sarah Brown engagiert sich während des Ersten Weltkriegs für wohltätige Zwecke. Bei einer Komiteesitzung kommt es zu einer verhängnisvollen Begegnung – mit einer Hexe. Als diese sie einlädt, in ihrem geheimnisvollen Haus, dem «Haus Alleinleben» auf einer kleinen Insel auf der Themse, unterzuschlüpfen, begibt sich Sarah mit ihrem treuen Hund David auf das Abenteuer ihres Lebens.«
Das Nachwort von Magda Birkmann, das auf den letzten zehn Seiten des Buchs, das Leben, die historischen Gegebenheiten und den Zeitgeist von Stella Benson beschwören, ist hochinteressant. Denn es ist schwer für den Leser, den fast hundert Jahre zu Stella Benson trennen, zu erfassen, wie eine junge, engagiert Frau in der damaligen Gesellschaft lebte und litt.
Was auf jeden Fall erwähnenswert ist, ist die Übersetzung. Es muss eine enorme Herausforderung gewesen sein, den Text ins Deutsche zu übertragen. Das ist Marie Isabel Mattews-Schlinzig bestens gelungen.
Stella Benson ist eine vergessene, dadurch kaum bekannte Schriftstellerin, die wiederentdeckt wurde.
Zauberhafte Aussichten, Stella Benson, Rowohlt Verlag, Taschenbuch, Seiten 224, ISBN: 978-3-499-01517-5, Euro 15,00, erschienen 14.05.32024, übersetzt Marie Isabel Matthews-Schlinzig.