Thomas Gottschalk: Ungefiltert | Bekenntnisse von einem, der den Mund nicht halten kann

Ich war neugierig und gespannt auf dieses Buch „Ungefiltert“. Neugierig auf die „Bekenntnisse“ und gespannt darauf, ob Thomas Gottschalk, der sich in die Schublade „alter weißer Mann“, sortiert fühlt, nicht nur den Mund nicht halten kann, sondern auch etwas zu sagen hat.

Seine Fans und Zielgruppe werden voll auf ihre Kosten kommen, in Erinnerungen schwelgen, an die vielen schönen Samstagabend- „Wetten, dass…-Sendungen“ mit all den Weltstars, die auf seinem Sofa Platz genommen haben, denken, und nicht glauben wollen, dass dieses dritte Buch, sein letztes sein soll. Nun, Gottschalk wäre nicht der erste Prominente, der von seinem Rücktritt zurücktritt. Schwerer haben es da schon seine Kritiker. Denn: er nimmt ihnen mit seiner pro und kontra-Argumentation schlicht den Wind aus den Segeln.

Charmant, plaudernd, mit der ihm eigenen Leichtigkeit, sozusagen in Gottschalk-typischer Manier, erzählt Thomas Gottschalk Begebenheiten aus seinem Leben und stellt einen Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen und Strömungen her. Aber es ist nicht nur Gott und die Welt, was ihn umtreibt. Und so teilt er seine Gedanken über Influencer, Stars und Sternchen, Politik und das Alter, Sinn des Lebens und Jugendwahn mit den Lesenden. Viele Jahre hat Gottschalk sich mit diesen Veränderungen nicht auseinandergesetzt. Nun hat er die Kurve gekriegt und für dieses Buch mit dem Generationenforscher Dr. Rüdiger Maas darüber gesprochen, was die Generation Z will und widmet diesem Gespräch ein umfangreiches Kapitel.

Bei aller Leichtigkeit ist nicht zu überlesen, wie verletzt Gottschalk bis heute von den „Grapscher-Vorwürfen“ ist und sich ungerecht behandelt fühlt. Es ist der einzige Schatten auf dieser beispiellosen Karriere und es ist Gottschalk zu wünschen, dass er einen Weg zu seinem Frieden finden kann. Der dpa gegenüber äußerte Gottschalk aktuell: „Ich habe Frauen im TV rein dienstlich angefasst. Wie ein Schauspieler, der im Film küsst, weil es im Drehbuch steht. Das lasse ich mir nicht als Attacke vorwerfen.“ Vielleicht kann man nicht alle „Grapscher“ über einen Kamm scheren und sollten Vorfälle differenziert gesehen werden. Die „Boomer“ sind die erste Generation, die Körperlichkeit kennen lernte, in dem sie von den Eltern in die Arme genommen, geliebkost wurden. Es war ein weiter Weg von „wer satt zu essen hat und nicht geprügelt wird, hat eine glückliche Kindheit“ hin zu einem liebevollen Elternhaus. Von Karl Lagerfeld (Jahrgang 1933) weiß man, dass er seine Eltern noch siezte.

Thomas Gottschalk wurde am 18. Mai 1950 in Bamberg geboren. Er startete seine Karriere beim Bayerischen Rundfunk. Mit der Sendung »Na sowas!« gelang ihm der Durchbruch im Abendprogramm des ZDF. 1987 übernahm er das Unterhaltungs-Flaggschiff »Wetten, dass..?« und moderierte 2023 seine 154. und letzte Sendung. Er hat zwei Söhne und zwei Enkel und lebt in Baden-Baden.

Er ist cool wie kein anderer Entertainer: Thomas Gottschalk. Für sein loses Mundwerk wird er vom Publikum geliebt – die erfrischende Schlagfertigkeit, mit der er seinen Gesprächspartnern begegnet, war stets Teil der großen Show. Doch die Zeiten ändern sich – wer einfach einen lockeren Spruch raushaut, riskiert einen Shitstorm. Mit einer guten Portion Selbstironie geht Thomas Gottschalk den Regeln wie den Fallstricken unserer Gesellschaft auf den Grund: Was hat sich verändert und warum? Müssen wir wirklich alle Sprachvorschriften beachten, bevor wir etwas sagen? Sollten wir sie ignorieren? Oder bahnen wir uns einen Weg durch das Dickicht an Geboten und Verboten, auf dem wir uns selbst treu bleiben – und doch die Wünsche anderer respektieren?

Ein gesellschaftlicher Befund und eine sehr persönliche Bestandsaufnahme.

Heyne Verlag – gebunden – 256 Seiten – 24,00 € – ISBN 978-3-4532-1889-5

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