Gary Victors epischer Roman lässt sich in keine Schublade stecken: er ist vielschichtig und fröhlich, bei aller Länge nie langweilig und es ist eine Vermischung von Religion, Philosophie, Tod, Freundschaft, Treue, Politik und Liebe. Und es geht um den Zustand seines Landes Haiti, von seinen Anfängen bis heute. Victor hat seine Geschichte und seine Charaktere – die Lebenden wie die Toten, die Untoten, die Voodoo-Abwesenden – im Griff. Keiner verliert sich in Voodoo-Traditionen oder Religion. Die Abenteuer von Sonson und die Nebengeschichten ziehen den Leser in den Bann. Auf der Suche nach seinem Freund Persée Persifal muss Sonson Abenteuer bestehen in dem er Geschichten erzählt. Und so erzählt Sonson Geschichten aus Persées Leben, die beweisen sollen, dass Persée ein Gerechter ist und zurück auf die Erde muss. Genauso muss Sonson denen zuhören, die auf dem Weg festsitzen, einige mit schweren Sorgen im Gepäck. In diesen Seiten erzählt Gary Victor von seinem Land. Von der Kolonialzeit, als die Weißen alles, bis zur nächsten Wahl, mit Haitis ewigen Präsidenten kontrollierten. Victor erzählt davon wie langsam aber sicher der Katholizismus die Voodoo-Kultur verdrängt hat. Nichts und niemand wird verschont. Weder die Befürworter noch die Gegner. Abgesehen von Liebe, Leben und Tod wird auch die körperliche Liebe thematisiert und zwar vom Vokabular her recht brutal und roh, wogegen der Autor in anderem Zusammenhang durchaus poetisch ist.
Gary Victor, geboren 1958 in Port-au-Prince, studierter Agronom, gehört zu den populärsten Gegenwartsautoren Haitis, wo seine Bücher, Theaterstücke und Radiobeiträge regelmäßig für Aufregung sorgen. Im deutschsprachigen Raum wurde er vor allem durch seine Kriminalromane um Inspektor Dieuswalwe Asémar bekannt. Seine drastischen Schilderungen gesellschaftlicher Missstände stellen ihn in die Tradition der Sozialromane des 19. Jahrhunderts und machen ihn zu einem der subversivsten zeitgenössischen Schriftsteller seines Landes. Gary Victor wurde mit mehreren Preisen, darunter der Prix RFO, ausgezeichnet und war mehrfach auf der Krimibestenliste sowie auf der Litprom-Bestenliste Weltempfänger platziert.
Peter Trier, geboren 1970 in München, wuchs in Bonn auf, studierte Deutsch und Französisch und war DAAD-Lektor in Clermont-Ferrand, Frankreich. Er ist heute als technischer und wirtschaftlicher Übersetzer tätig. 2006 gründete er den Litradukt-Verlag, für den er zahlreiche Bücher übersetzte, darunter die Werke von Georges Anglade, Gary Victor (außer Dreizehn Voodooerzählungen), Lyonel Trouillot, Victoire von Maryse Condé sowie Der Zwang des Unvollendeten von Anthony Phelps.
Haiti in den Neunzigerjahren: Persée Persifal, einer der wenigen Gerechten Haitis, wird von einem korrupten Politiker vergiftet und droht, zum Zombie gemacht zu werden. Entschlossen, ihn zurückzuholen, begibt sich sein Freund Sonson Pipirit auf den Pfad, auf dem die Untoten ihrer Bestimmung zugeführt werden. In einer Nacht durchquert er zwei Jahrhunderte haitianischer Geschichte, begegnet Göttern, Geistern und Dämonen, Helden und Schurken, besteht lebensgefährliche Abenteuer und hinterlässt bei sterblichen und unsterblichen Frauen nachhaltigen Eindruck … Eine wilde Phantasmagorie, in der Komik und Tragik, die diesseitige und die jenseitige Welt ineinander übergehen. Realistische Sozialkritik trifft auf die mythologische Tradition Haitis.
Litradukt Literatureditionen – Hardcover – 368 Seiten – 24,00 € – ISBN 978-3-9404-3544-6