Eine Trilogie sollte eigentlich nach dem dritten Buch aufhören, doch wenn man sich mal mit der Polizeiermittlerin, Eira Sjödin, bekannt gemacht hat, liebt man ihre Geschichte einfach. So bleibt vielleicht eine vage Hoffnung, dass nach dem großen Erfolg dieser drei Bücher, vielleicht doch der eine oder andere Krimi mit Eira noch erscheinen wird.
So ist es aber vorerst der Krimi Nebelblau, der einen echten Höhepunkt der drei Roman darstellt. Denn Tove Alsterdal geht ein geschichtlich sehr brisantes Thema an. Den Vietnamkrieg und Schwedens Unabhängigkeit von den USA. Denn Schweden war eines der wenigen Länder, die Deserteure, fahnenflüchtige US Soldaten aufnahm. Brisant vor allen jetzt, da Schweden um den Beitritt zur NATO kämpft und seine Bündnisfreiheit aufgeben möchte. Nebelblau ist zum Teil ein spannender Rückblick auf die Verhältnisse in Schweden im Jahr 1968. Wie immer verwebt die Autorin den Kriminalfall eng mit der Familiengeschichte der Ermittlerin. Die zusätzlichen Ängste und Geheimnisse, die dadurch geweckt werden, treiben Eira in einen stetigen Zwiespalt, der dem Krimi erst die richtige Würze gibt.
Autorinnenfoto: ® Annika Marklund
Tove Alsterdal, 1960 in Malmö geboren, zählt zu den renommiertesten schwedischen Spannungsautor:innen, ihre Romane erscheinen in 25 Ländern und wurden vielfach ausgezeichnet. Mit der Trilogie um Ermittlerin Eira Sjödin gelang ihr in Schweden ein Sensationserfolg, für «Sturmrot» erhielt sie den Schwedischen Krimipreis 2020 und den Skandinavischen Krimipreis 2021, ebenso wie «Erdschwarz» stand der Roman wochenlang auf Platz 1 der schwedischen Bestsellerliste. Auch in Deutschland stiegen die Romane sofort in die Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste ein. Die Filmrechte sicherte sich eine Hollywood-Produktionsfirma.
Eira ist hochschwanger, der Vater ist vielleicht August oder Ricke, sie weiß es nicht und macht sich ehrlich gesagt auch keinen Kopf darüber. Auch wenn sie Angst hat, keine gute Mutter zu werden, plant sie nichts und lässt erst einmal alles auf sich zukommen. Daher ist sie froh, anstatt im Homeoffice zu recherchieren, als man im Fluss ein altes Skelett bei einem Tauchgang entdeckt. Der Mann war an einen Anker gefesselt, doch ist anscheinend nicht ertrunken. Die Gerichtsmedizinerin entdeckt Spuren an den Knochen, die auf eine Kugel hindeutet. Der Mann wurde erschossen und so wie das Genick und Brustbein verletzt wurden, versenkte man ihn nach seinem Tod. Todeszeitpunk irgendwann in den Sechzigern. Schon tritt für Eira das erste Problem auf, denn alle Morde vor Juli 1985 unterlagen damals noch der Verjährungsfrist von fünfundzwanzig Jahren. Soll überhaupt ermittelt werden? Hat man nach so langer Zeit noch eine Chance den Mörder zu stellen? Shirin die Rechtsmedizinerin trifft eine Entscheidung. Sie nutzt das Computerprogramm ihrer alten Alma Mater, um dem Schädel ein Gesicht zu geben. Ausgerechnet Eiras demente Mutter, hat im Fotoalbum ein Bild aus ihrer Jugend, auf dem sie freundschaftlich mit dem Opfer zu sehen ist. Natürlich ohne Erinnerung daran. Zäh und mühsam setzten sich die Teile dann doch zusammen und die Geschichte, die Eira daraus ableiten muss, ist haarsträubend. Doch nicht nur der alte Mordfall wird zusehend brisanter, auch ihr Bruder August macht wieder Dummheiten, GG ihr alter Chef will den Job schmeißen, das Nachbarhaus brennt plötzlich und dann muss Frau auch noch ein Kind auf die Welt bringen.
Da bleibt kein Auge trocken oder sagt man in dem Fall besser, es bleibt keine Stirn ohne Angstschweiß. Für mich der beste der drei Roman, voller interessanter politischer und historischer Ereignisse, zwiespältigen Protagonisten, Mord, Rache, Wut und jede Menge Ärger für Eira.
Nebelblau, Tove Alsterdal, Rowohlt Polaris, Taschenbuch Klappenbroschur, Seiten 400, ISBN: 978-3-499-00782-8, Euro 17,00, erschienen 18.07.2023.Übersetzt von: Hanna Granz