Da ich kein Fernsehgucker bin, kannte ich Michael Brandner den Autoren und Schauspieler nicht. Mir, als Kind des tiefsten Ruhrpotts, gefielen der Titel und vor allem das geniale Cover des Buchs. Die Dame, die die Umschlagsgestaltung machte, hat mit dem Titelbild wohl das berührendste Cover kreiert, das ich je gesehen habe. Ein echtes Foto aus dem Archiv des Ruhr Museums. So begann ich die Lebensgeschichte von Paul zu lesen, die wohl aus zum Teil autobiographischen Zügen des Autors entstand, ohne recht zu wissen, was mich erwarten würde.
Mein Fazit der Erzählung von Paul Brenners Leben: Es ist ein wirklich schönes Buch, das ans Herz geht, manchmal erschreckt und dann auch wieder die Lachmuskeln aktiviert. Dabei ist es ganz egal, wie viel davon nun wahr ist. Es ist einfach eine schöne Geschichte, gut geschrieben und sehr lesenswert.
Autorenfoto: Copyright ® Stefan Klüter
Michael Brandner, geboren 1951, hat in mittlerweile mehr als zweihundert Film- und Fernsehproduktionen gespielt, mit George Clooney gedreht und seine Erfolgsserie Hubert ohne Staller in die zehnte Staffel geführt. Willenlos und erwartungsfrei wurde er Zeichner, Schreiner, Designer, Grenzschützer, Gourmet, Gewerkschaftsführer, Bundesverdienstkreuzträger und Schauspieler. Kurz: ein Allroundstümper mit Geschmack. Aufgewachsen im Ruhrpott, lebt er heute mit seiner Familie in München.
Der vierjährige Paul lebt bei seiner Tante Hannah und Onkel Hans im tiefsten Bayern. Für ihn ist es das Paradies, er wird geliebt, verwöhnt, alles riecht und schmeckt so gut bei Hannah, und wenn Onkel Hans nach dem Abendessen auch noch singt, ist es wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Bis auf diesen einen Abend, als die fremde Frau mit den zusammengekniffenen Lippen auftauchte, ihn von einer Sekunde auf die andere in ein Auto zerrte und mitnahm. Obwohl Onkel Hans ihm erklärte, dass die Dame seine Mutter ist, versteht der Kleine das alles nicht. In Dortmund angekommen, trifft er den großen Mann mit der schiefen Nase und dem guten Grinsen. Der mustert Paul, schüttelt ihm dann die Hand und sagt: „Ich bin jetzt dein Papa!“ Das ist Pauls Glück, denn Mutti ist eine recht cholerische, lieblose Frau, das ganze Gegenteil ihres neuen Mannes Helmut. Obwohl nur Stief-, ist Papa ganz lieb, ein Kumpel und hat keine anderen Ambitionen für seinen Jungen, als ihn glücklich zu sehen. Und so kommt Paul im Pott an. Die Menschen, der Zusammenhalt von Papas Familie, die Not und die Zechen werden für ihn zur wahren Heimat.
Schon als Kind ist Paul ein Tausendsassa, jemand der mit seinem Charme ankommt, leicht Freunde findet und das Leben, als ein großes Glücksspiel wahrnimmt. Auch als junger Mann ändert sich nichts daran, trotzdem er von der eigenen Mutter, wie ein Stiefkind behandelt wird und in ihren Augen nichts richtig macht. Anstatt Abitur und Studium, wird Paul erst einmal Bauzeichner, verpflichtet sich dann zum Bundesgrenzschutz, um gleich danach in die Hausbesetzerszene zu wechseln. Es treibt Paul durchs Leben, wie so ein Blatt im Wind, doch egal, was er anfängt, in welche Richtung er auch geht, es gelingt ihm so gut wie alles. Am Ende wird er sogar ein begehrter Fernsehschauspieler. Außerdem scheint er mit jemand da oben oder da drüber, wie Paul es ausdrücken würde, ein kulantes Abkommen zu haben. Denn trotz schlimmer Unfälle, Krankheiten und gefährlichen Gesundheitszuständen, springt er dem Tod immer wieder von der Schippe. Wie eine Katze mit neun Leben!
Ein liebevoll erzähltes Dasein, in dem Paul mit wohlmeinenden Blicken auf die Menschen und deren Fehler sieht. Schön Unterhaltung, keine Frage!
Kerl aus Koks, Michael Brandner, List Ullstein, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, Seiten 336, ISBN: 978-3-471-36045-3, Euro 23,99, erschienen 01.09.2022.