Frances Cha: Hätte ich dein Gesicht

Was weiß ich über Korea? Die Hauptstadt ist Seoul. Es gibt Nord- und Südkorea, LG und Samsung. Und dann gibt es noch den K-Pop. Koreanische Pop Musik. Mit ihrer Attraktivität und einer perfekten Performance verzaubern die koreanischen Musiker und stürmen die internationalen Charts. Die Gruppe BTS schaffte es mit ihrem Album »Love yourself: Tear« 2018 an die Spitze der US-amerikanischen Billboard 200 (Albumcharts). Und so fragt man sich zu Recht:  ist die Schönheit der Koreaner Gott gegeben oder von Halbgöttern in weißen Kitteln erschaffen? Frances Cha gewährt uns in ihrem Debütroman einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen und auf die koreanische Gesellschaft. Ihre Tochter wünscht sich zum 18. Geburtstag eine Brust-OP? Da kommen sie ja noch verhältnismäßig gut bei weg.

Photo: Illooz

Frances Cha, geboren in Saint Paul, Minnesota, ist Autorin und Journalistin. Sie verbrachte ihre Kindheit in Texas und Hongkong, im Alter von zwölf Jahren zog sie nach Korea. Sie studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben, anschließend war sie u. a. als Redakteurin für CNN International in Seoul und Hongkong tätig. Als Dozentin lehrte sie Medienwissenschaften und Kreatives Schreiben, u. a. an der Columbia University und der Seoul National University. Cha lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Brooklyn und Seoul.

Nicole Seifert, geboren 1972, übersetzt aus dem Englischen. Sie studierte nach einer Ausbildung im S. Fischer Verlag Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften und Amerikanistik in Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie zunächst als Lektorin, bevor sie ihren ersten Übersetzungsauftrag erhielt. Sie hat u. a. Werke von Sarah Moss, Torrey Peters, Shirley Jackson, Julia Strachey, Adrienne Brodeur und Frances Cha übersetzt. 2021 erschien ihr Buch FRAUEN LITERATUR, Abgewertet, Vergessen, Wiederentdeckt. Sie lebt in Hamburg.

In Korea käme eine doppelte Lidfalte sowie eine Nasenkorrektur hinzu und – wenn wir schon einmal dabei sind, reduzieren wir auch gleich noch die Wangenknochen und optimieren die Kinnlinie. Dass Ober- und Unterkiefer verkleinert werden, nur eine Randnotiz. Und wer nicht Kind reicher Eltern ist, verschuldet sich bei privaten Darlehensgebern, was einer Versklavung gleichkommt. Denn bei denen ist immer Hochzinsphase. Vom Gehalt einer Friseurin kann sich Ara, eine der vier Protagonistinnen, keine Wohnung leisten. Wie ihre Freundinnen und unzählige junge Menschen lebt sie in einem Officetel. Viele junge Frauen verdienen sich das Geld in sogenannten Room Salons, ihre japanischen Kolleginnen sind als Geishas bekannt. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn wenn die Schönheit verblasst, ist es aus mit den guten Jobs. Andererseits kann das perfekte Aussehen die Eintrittskarte in einen gut dotierten Job oder in eine Ehe mit sozialem Aufstieg sein. Chas facettenreicher Blick auf die koreanische Kultur ist beeindruckend und bisweilen verstörend. Und auch wenn für die vier Protagonistinnen das Thema Schönheit bzw. der Weg dort hin allgegenwärtig ist, bestimmen Freundschaft und die Solidarität zwischen Frauen ihre fesselnde Geschichte.

Unionsverlag  –  gebunden – 288 Seiten – 23,00 € – ISBN 978-3-29300-586-0