Kennen Sie die Ausstellungsräume des Kunstverein Familie Montez in der Honsellstrasse 7 im Frankfurter Osten? Wenn nicht, haben Sie zwei gute Gründe dort hinzugehen. Kurator Mirek Macke, der auch die Ausstellung eröffnete, bewies ein gutes Gespür als er sich für 3 ganz unterschiedliche Künstler und deren Werke entschied und eine interessante, sehenswerte Ausstellung entstand: während der Frankfurter Fotograf Peter Seidel und der in Frankfurt lebende Aktionskünstler Bernhard Zich ihr Debut in den heiligen Brückenhallen feierten, ist Kai Teichert mit seinen monumentalen Werken immer wieder zu Gast bei Familie Montez.
Im Gespräch erzählt Peter Seidel, dass er zwar mit 14 eine Kamera von seinem Vater geschenkt bekam, aber noch die Umleitung über ein Germanistik- und Anglistikstudium nahm, bis er mit Ende 20 endlich zur Fotografie kam. Bei Horst Wackerbarth – Sie wissen schon, der mit dem roten Sofa durch die Welt reiste und Menschen darauf fotografierte – bekam er die Assistentenstelle. Er hätte zwar nicht fotografieren gelernt, aber alles andere was damit zu hat. Bevor er sich der Welt unter der Welt widmete, fotografierte er Industriedenkmäler und legte damit das Fundament für seine Karriere als Architekturfotograf. Im Lexikon der Weltarchitektur steht zu Seidel: …einer der einflussreichsten Architekturfotografen in Deutschland… Nachdem die Fotografien des Zyklus Unterwelten in halb Europa, Moskau und China für Furore sorgten, sind sie bis zum 7. August 2022 in den Bögen der Honsellbrücke zu sehen. Und bei der Betrachtung dieser ungewöhnlichen Zusammenstellung prächtiger Farbfotografien, detaillierter, berührender unterirdischer Bauwerke jeglicher Art, drängt sich der Vergleich mit Edward Hopper auf. Wie er ist Seidel ein Meister der Innenbereiche.
Der Besucher, der sich in die rechte große Ausstellungshalle zur „Baumschule“ wagt, sollte nicht mehr unter den Jugendschutz fallen. Nicht, dass Sie Schaden an Leib oder Seele nehmen, aber Kai Teichert ist nicht mehrdeutig oder zweideutig. Er ist eindeutig. Das 18 m breite und im Scheitel 6 m hohe Werk ist im Werden! Begonnen hat der in Berlin lebende Würzburger mit dem Bild im heimatlichen Atelier und kam mit einem knapp halbfertigen Bild im Gepäck nach Frankfurt. Während der Ausstellungsdauer will Teichert das Bild vollenden. Spannend – auch für das Publikum, kann man doch so – täglich – live miterleben, wie sich das Bild entwickelt. Zeit sollte man auf jeden Fall mitbringen. Denn zu entdecken, gibt es viel: wie schon in seinen anderen Werken arbeitet der Künstler mit Symbolik, begibt sich in die Mythologie und greift die Sage um Apoll und Daphne auf. Alles überragend der Weltenbaum, dagegen behauptet sich der orangene Schirm, der für den Gang der Sonne steht. Laut eigener Aussage hat Teichert eine Vorstellung wie das fertige Bild bei der Finissage am 7. August aussehen soll, aber ist selbst gespannt, wie es sich letztendlich entwickelt. Begleitet wird das Projekt mit einem „Podcast (aus dem) Montez“.
Last but not least Bernhard Zich. In seinen frühen Zwanzigern, als es noch keine Grünen gab, die Republik noch immer mit dem Wiederaufbau und den 68ern beschäftigt war, entstand sein 8-teiliger Zyklus Disavowed Evolution (Verleugnete Evolution) gedacht als Provokation. Ein Menschheitszyklus, der rückblickend und mit unserem heutigen Wissen seherische Fähigkeiten beim Künstler vermuten lässt. Es stellt sich die Frage, an welchem Punkt stehen wir heute – ich wünsche mir am Beginn der zweiten Hälfte, mit der Möglichkeit, das Ruder rumzureißen – und hoffentlich erleben wir das Ende nicht. Der anfängliche harmonische Zusammenhang zwischen Mensch, symbolisiert durch eine Frauenbüste, Natur (Wald) und Wissenschaft (geometrische Flächen) gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht, eskaliert und endet mit Verwüstung.