Ich war ein wenig skeptisch bei dem Buch. Denn der Roadtrip eines Vierundneunzigjährigen zusammen mit einem zweiundzwanzigjährigen jungen Mann ist das wirklich ein Buch wert? Vor allem erfüllt das Cover mit dem Foto der beiden erst einmal ein Klischee: Karl-Heinz Schulz, genannt Carlos, wirkt wie der griesgrämige Nachbar der Siedlung und Torben Kroker eher wie ein wohlerzogenes Bübchen ohne jegliche Lebenserfahrung. Aber weit gefehlt, denn die Reisebeschreibung ihrer fünftausend Kilometer in 2020 quer durch Europa, mit dem Ziel die Plätze wiederzusehen, an denen Carlos nach dem Krieg interniert war, sind überaus unterhaltsam. Die Reisebeschreibung von Torben Kroker mit allen Problemen die auftreten, wenn man mit einem Freund unterwegs ist, der dreiundsiebzig Jahre älter ist, sind nett geschildert. Aber auch die Highlights in Frankreich und vor allem Spanien machen Spaß und man kann menschlich nur den Hut vor dem jungen Mann ziehen. Dem werden Lebenserinnerungen an die Nachkriegszeit von Carlos gegenübergestellt, sodass man mit Carlos die Zeit in den Orten noch einmal erlebt.
Zwei sehr unterschiedliche Menschen, nicht nur wegen ihrer so unterschiedlichen Lebensjahre, wagen eine außergewöhnliche Reise. Sie auf dieser Reise zu begleiten ist anrührend, interessant und spannend. Ein Abenteuer, zu dem Mut gehört und von dem beide sehr froh waren, es gewagt zu haben. Denn dieses Jahr im Januar 2022 ist Carlos mit sechsundneunzig Jahren verstorben.
Autorenfoto: © Robin Kodera
Karl-Heinz Schulz, genannt Carlos, Jahrgang 1926, wollte seinem jungen Nachbarn Torben Kroker all die Orte zeigen, an denen er seine Zeit als junger Erwachsener verbracht hat. Die beiden fuhren drei Wochen und 5.000 Kilometer kreuz und quer durch Europa. Er ist im Januar 2022 verstorben.
Torben Kroker, Jahrgang 1999, mähte den Rasen seines allein lebenden, 94 jährigen Nachbarn Karl-Heinz Schulz und hörte ansonsten dessen Geschichten zu. Dann beschlossen sie, durch Europa zu reisen, um seinem 94-Jährigen Nachbarn einen letzten Traum zu erfüllen.
Torben ist fünfzehn und will sich mit Rasenmähen etwas für seinen Motorroller dazu verdienen. So landet er auch bei dem Griesgram Karl-Heinz Schulz, damals siebenundachtzig Jahre alt. Er lebt in Emmerich alleine in seinem Häuschen und wirkt erst einmal wie viele einsame alte Leutchen. Doch Carlos, wie er sich nennt, ist da ein ganz anderes Kaliber. Er hat Flöhe im Hintern, wie man so schön sagt, eine Freundin in Düsseldorf und ist mit der agilen alten Dame viel unterwegs. Doch auch mit Torben freundet er sich an und der erfährt mit der Zeit, welch bewegtes Leben der alten Mann hinter sich gebracht hat. Vor allem die Nachkriegsjahre in Frankreich und Spanien kreisen immer wieder in seinen Erzählungen und Gedanken. Als Elisabeth, Carlos Freundin, stirbt, springt Torben als Begleiter ein. Mittlerweile mit Auto und Führerschein kutschiert er Carlos in die Eifel, in die Pfalz und natürlich regelmäßig nach Düsseldorf. Doch Carlos hat einen Wunsch: Er will ein letztes Mal nach Spanien, das Meer sehen und die damaligen Orte. Aus der Idee wird eine Planung und selbst Corona kann die beiden nicht abhalten.
Die Geschichte ist erstaunlich gut erzählt, wenn man bedenkt, dass gerade Torben keine großartige Erfahrung als Autor hat. Es driftet nie ins Rührselige ab, es ist eine einfache und simpel, aber eine sehr schöne Geschichte. Das gut erzogene Bübchen, für das man Torben Kroker vom Äußerlichen halten könnte, beweist auf der Reise, dass er seinen Mann steht und seinem manchmal sturen Freund auch Pari bieten kann. Es ist für mich sowieso bewundernswert, wie dieser junge Mann sich auf den letzten Wunsch seines Freundes einlässt und zwar mit Haut und Haaren.
Richtig, richtig nette Unterhaltung.
5000km Freundschaft, Karl-Heinz Schulz und Torben Kroker, Knaur, Klappenbroschur, 192 Seiten, ISBN: 978-3-426-28600-5 , Euro 16,99 E-Pub 14,99.
Erschienen am 01. Dezember 2021