Christof Gasser: Wenn die Schatten sterben

Die Protagonistin Becky kommt vom Regen in die Traufe. Nervlich angeschlagen zieht sie nach dem tödlichen Segelunfall ihres Mannes mit ihrem 10jährigen Sohn vom heimischen Kiel ins schweizerische Solothurn auf das alte Familienschloss. Spielen ihre Nerven ihr in der ersten Nacht einen Streich oder ist außer ihr und ihrem Sohn noch jemand in dem großen Haus? Auf jeden Fall finden am nächsten Morgen die Arbeiter, die mit Renovierungsarbeiten im Keller begonnen haben, eine eingemauerte Leiche. Als die Untersuchungen ergeben, dass die Frau vor ca. 60 Jahren erschossen wurde, ist dieser Fall nach Schweizer Recht kein Fall mehr für die Ermittlungsbehörden.

Christof Gasser, geboren 1960 in Zuchwil bei Solothurn, ist seit 2016 Autor von Kriminalromanen. Zudem schreibt er als Gastkolumnist für die Solothurner Zeitung und verfasst Kurzgeschichten. In seinen Romanen, die regelmäßig Spitzenplätze auf der Schweizer Bestsellerliste belegen, spielt seine Heimatstadt stets eine wichtige Rolle. Gasser lebt mit seiner Frau unweit von Solothurn am Jurasüdfuß.

Christof Gasser baut damit seinen Spannungsbogen gut auf, der durch die private Recherche Beckys unterstützt von ihrem Nachbarn, dem Ermittler Dominik Dornach und durch die zeitlichen Rückblenden auf sehr hohem Niveau gehalten wird. Diese komplex und durchdacht angelegte Geschichte gewährt Einblick in die dunklen Stunden der Schweizer Geschichte sowie in die Machenschaften während des Faschismus in der Schweiz. Die Hintergrundfakten sind gut recherchiert und verleihen dem Kriminalroman einen besonderen Reiz

Zugeben, mir geht es wie dem Autor, ich finde Emma interessanter und sympathischer als Becky, aber dafür beeindruckt diese dadurch, wie couragiert und nachdrücklich sie sich darum bemüht herauszufinden, wer die Tote war und warum sie so ein grausames Ende fand. Leider ist  Dominik Dornach für Beckys unterschwellige Avancen unempfänglich. Nach allem, was sie durchgemacht hat, würde man ihr ein neues Glück gönnen. Ihr Sohn kommt sehr sympathisch rüber und es gelingt ihm sogar, Dominiks achtjährige Tochter Pia aus ihrem selbst gewählten Schneckenhaus herauszuholen.

Die überraschende Auflösung ist gut nachvollziehbar und rundet die Geschichte ab. Fazit: „Wenn die Schatten sterben“ ist für mich ein gelungener historischer Kriminalroman, der mich von der ersten Seite an begeistern und fesseln konnte.

Zwei Frauen, zwei Epochen – eine Hoffnung. Swiss Noir von Bestsellerautor Christof Gasser.
Auf einem herrschaftlichen Schweizer Familiensitz fördern Renovierungsarbeiten den Leichnam einer jungen Frau zutage, die in den 1940er Jahren erschossen wurde. Offiziell ist der Fall verjährt. Doch der aus Deutschland stammenden Becky Kolberg, der das Schloss inzwischen gehört, lässt das rätselhafte Schicksal der Toten keine Ruhe. Die junge Frau arbeitete in einer Waffenfabrik im Ort, die sich im Besitz der Nationalsozialisten befand. Becky stößt auf Tagebücher und Fotos des Opfers aus jener Zeit, als die Schweiz vom Faschismus umzingelt war. Fasziniert taucht sie in das fremde Leben ein – bis die Schatten der Vergangenheit auch nach ihr greifen.

Christof Gasser: Wenn die Schatten sterben, Klappenbroschur, Emons Verlag  –  gebunden – 352 Seiten – ISBN 978-3-7408-1208-9, € 15,00