Generation Beleidigt, Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei, Caroline Fourest

Bravo Madame Fourest! In der Manier von Charlie Hebdo, für die diese Autorin gearbeitet hat, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Die Autorin nennt ihr Buch: Eine Kritik! Und das ist sie bestimmt, denn man merkt im Buch nicht nur die Wut von Caroline Fourest. Als verantwortlicher Leser steigt einem beim Lesen die eigene Wut im Bauch auf. Die Wut über die „Generation Beleidigt“.

Eine Generation, die mit sozialen Medien groß geworden ist und sich zu einer Meute von Inquisitoren entwickelt hat. Die mit falsch verstandenem Antirassismus jedem, der einen Diskurs führen möchte, ja sogar Kulturen einander näher bringen möchte, einfach den Mund und die Tat verbietet. So müssen sich Künstler, Universitätsprofessoren und Menschen, die schon immer Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie bekämpften, sich als rassistisch und islamophob beschimpfen lassen.

Caroline Fourest entlarvt durch Fakten. Sie zeigt die unsinnigen Aktionen, Schmähungen und Boykotte, der neuen sogenannten Gutmenschen im Detail auf. Sie spricht über die zum Drama hochstilisierte kulturelle Aneignung, die sie als neue Gotteslästerung bezeichnet. Rechnet ab mit der identitären Linken, der Studentengewerkschaft UNEF, die sich zum Vehikel von Extremisten und Separatisten machen lassen. Und anstatt die Jugend vor dem Leichtsinn des unüberlegten Hinterherlaufens zu schützen, bestärkt die identitäre Linke ihren Fanatismus.

Ein gutes Buch, das ungeschönt einfach ausspricht, was die Autorin tagtäglich sieht und erlebt. Ein wichtiges Buch, da es ein Augenöffner ist und uns alle auffordert, mutig zu sein. Zitat Caroline Fourest: Diese Tyrannei der Beleidigung erstickt uns. Es ist Zeit, Luft zu holen und von neuem zu lernen, die Gleichheit zu verteidigen, ohne der Freiheit zu schaden.“

Autorenfoto: ® FJ-Paga

Caroline Fourest ist Autorin und Filmemacherin. Sie hat für Charlie Hebdo gearbeitet und ist Zeitungskolumnistin, sie unterrichtet am Sciences Po über die Spannung zwischen Multikulturalismus und Universalismus und hat zahlreiche Bücher zu diesem Thema verfasst. Ihr erster Spielfilm Sœrs d’armesist eine Huldigung des kurdischen Freiheitskampfes. Titel der Originalausgabe: »Génération offensée. De la police de la culture à la police de la pensée«, Paris 2020©Editions Grasset & Fasquelle.

Das Phantom der identitären Linken, die gezielt Menschen vom Gespräch ausschließt und ihnen den Mund verbietet, geht mittlerweile auch in Europa um. Die neue Meinungsfreiheit darf nur im klar abgesteckten Rahmen stattfinden. Anderenfalls wird man ausgebuht, angegriffen, verleumdet und verhetzt. Es wird sich nicht mehr auf die Verfassungsrechte berufen, sondern die reine Zustimmung auf den sozialen Netzwerken reicht aus, um einen Instagram-Pöbel von der Leine zu lassen.

Die Sprachpolizei, die schon seit Jahren ihr Unwesen treibt und erfolgreich Negerküsse und Mohren im Schlafrock von den Theken der Bäckereien gefegt hat, wird langsam zu Gedankenpolizei. Wo man solche Umbenennungen noch nachvollziehen konnte, wird es jetzt jedoch fraglich, wenn Kunst, Musik, Theater, Film und Literatur der kulturellen Aneignung anheimfällt und zensiert und verboten wird. Über die Beispiele, die Caroline Fourest in der Hinsicht aufzählt, müsste man lauthals lachen, wenn es sich doch nur um Situationskomik handeln würde. Denn es geht unter anderem um Yoga, Reisgerichte von Jamie Oliver und auch vietnamesisches Essen in einer Kantine. Es wird jedoch nicht bei diesen völlig abstrusen und harmlosen Empörungsgründen haltgemacht. Die wesentlich bittere Wahrheit spielt sich dann ab, wenn Menschen aufgrund solcher empfundenen Beleidigungen ihre Jobs oder gar ihr Leben verlieren.

Besonders empfänglich für diese sogenannten Beleidigungen ist die Generation, die jetzt zu den Studenten zählt. Groß geworden in multikulturellen Gesellschaften, merken viele Menschen einfach nicht mehr, wie Identitätspolitik immer häufiger zu Separatismus neigt, anstatt die Gleichheit von Rasse, Geschlecht und Gender zu fordern. Und natürlich es sind unsere Kinder, mit unserer Erziehung, die anscheinend nicht mehr in der Lage sind diesen unheilvollen Trend zu durchschauen. Wann ist es eigentlich passiert, dass kritisches Denken und Mut von sozialen Medien, Likes und Klicks verdrängt wurden.

So kann Caroline Fourest in ihrem Buch auch keine Lösungen anbieten, denn die Zeit zurückdrehen, das funktioniert nicht. So gerne der eine oder andere unter uns die sozialen Medien am liebsten wieder in der Vergessenheit versenken möchte, so unmöglich ist das. Daher kann die Autorin nur zu Mut aufrufen. Dem Mut zu widersprechen, den Mut zu diskutieren und sich wieder auf die Redefreiheit und das Recht der freien Meinung zu besinnen.

Ein großartiges Buch, das nicht ohne Emotionen über Fakten berichtet und wie es sich für eine investigative Journalistin gehört, voller Quellenangaben ist.

Generation Beleidigt, Caroline Fourest, Tiamat Verlag, Taschenbuch, Seiten 143, ISBN 978-3-89320-266-9, Euro 18,00.