Fast schelmisch oder besser gesagt verschmitzt sind Lisa Frühbeis’ illustrierte Geschichten über den täglichen Kampf der Frau in unserer Gesellschaft. Dabei sind ihre Beobachtungen des feministischen Alltags messerscharf wiedergegeben und liebevoll gezeichnet. Es ist eine echte Freude sich durch diesen Comic zu blättern und zu schmökern. Dabei kommen einem viele Lacher, einige Ahas und als Frau auch mal ein bisschen Wut. Großartig, wer Franziska Beckers feministische Comics kennt und liebt, wird sich die Sahnestückchen von Lisa Frühbeis nicht entgehen lassen.
Fotocopyright: Alain Francois
Lisa Frühbeis, geboren 1987, ist eine der markantesten Protagonistinnen der jungen deutschen Comic-Szene. Sie hat sich vor allem im Bereich der feministischen Comics einen Namen gemacht. Mit ihrer Kolumne „Busengewunder“ erreichte sie im Internet und im Berliner Tagesspiegel eine große Leser*innenschaft. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, so auch im Literaturhaus München, der Brooklyn Art Library in New York, dem Andersen Festival in Sestre Levante in Italien, und dem Vasseau Moebius in Angoulême. 2016 hat sie einen Joseph Binder Merit Award, und einen Merit Award bei der 3×3 Illustration Show in New York gewonnen. 2019 unterrichtete Lisa Frühbeis Illustration an der Fachhochschule Würzburg. Von 2016bis 2018 war sie als Schriftführerin in den Vorstand des Berufsverbands der IllustratorenIO gewählt, den sie auch als deutsche Vertreterin im europäischen DachverbandEIF repräsentiert hat. Sie lebt in Augsburg.
Ihre kleinen Geschichten basieren auf persönlichen Erfahrungen, sagt die Künstlerin und das merkt man sofort. Mit viel Humor aber hart am Thema zeigt sie die täglichen Herausforderungen auf, die Frauen in der Gesellschaft und Biologie meistern müssen. Nicht nur ein Comic, dass viel Freude macht.
Busengewunder Meine feministische Kolumnen, Lisa Frühbeis, Carlson Verlag, Comic-Bildband Softcover, Seiten 128, ISBN 978-3-551-79356-0, Euro 15,00, 19,95, 9.99 Euro.
Doch lassen wir Lisa Frühbeis zu Wort kommen. Das Interview wurde uns freundlicherweise vom Carlsen Verlag überlassen, damit wir es hier mit abdrucken können.
Lisa Frühbeis im Interview
- Lisa, Du hat Dir vor allem im Bereich der feministischen Comics einen Namen gemacht. Kannst Du uns etwas über Dich und deine Anfänge als Comic-zeichnerin verraten? Wie bist Du zum Comiczeichnen gekommen?
Ich bin Quereinsteigerin im Comicbereich. Im Studium habe ich mich viel mit Animation beschäftigt und habe dabei einiges über Storytelling gelernt. Meinen Master habe ich in freie Designkunst gemacht. Erst später bin ich über einen Workshop zum Comic gekommen. Das war eine regelrechte Erleuchtung, denn im Comic wurden die beiden Bereiche vereint. Mawil, einer der Dozenten, hat mir geraten, einen autobiografischen Webcomic zu starten. Das habe ich gemacht, und das war der Vorläufer von dem, was jetzt „Busengewunder“ ist. Bei der anderen Dozentin, Barbara Yelin, durfte ich ein wenig bei der Buchherstellung assistieren. In der Zeit habe ich von ihr nochmal richtig viel über das Comicmachen gelernt. Dass ich dann mit meiner Serie als Unbekannte in den Tagesspiegel gekommen bin, war eine große Ehre für mich. Es lag sicher auch daran, dass die Redaktion in meinem Webcomic die Inhalte gefunden hat, die sie gerade gesucht hat.
- Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, speziell im Bezug auf gesellschaftliche Themen, was andere Medien nicht können?
60% der Gesellschaft denkt eher in bild-basiert als textbasiert. Das blenden unsere gewohnten Kommunikationswege aus. Comics schaffen es, diese Lücke zu füllen. Sie schaffen außerdem über die Bilder einen emotionalen Zugang, dadurch entsteht eine andere Art von Identifikation mit dem Publikum.
- Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Ulli Lust hat mal gesagt: „Wer lustige Geschichten macht, kann sich erlauben, nicht realistisch zu zeichnen.“ Das fand ich sehr schön. Bei meinem Stil steht im Vordergrund, eine Situation durch Übertreibung witzig oder verständlich zu machen. Wenn ich sie brauche, kann es die abstrusesten Details geben. Aber ich bin auch ein un-geduldiger Mensch, und mein Stil muss sich da anpassen. Also ist er wohl irgend-was zwischen krakelig und detailverliebt.
- Du arbeitest auch als Graphic Recorderin für Veranstaltungen, hat Deine Arbeit in diesem Bereich einen Einfluss auf deine Comics?
Mein Stil ist sicher von meiner Arbeitsweise beim Graphic Recording beeinflusst. Beim Livezeichnen arbeite ich assoziativ und las-se mich vom Text inspirieren. Bei meinen Comics steht zwar der Erzählbogen im Vordergrund, aber ich kann in meinem kurzen, kolumnenartigen Format trotzdem stark von klassischen Erzählregeln abweichen. Ich baue gerne kleine Experimente ein, und Graphic Recording bietet mir die Gelegenheit, Bildformate zu testen. Da die Ergebnisse am Ende der Veranstaltung fertig sein müssen, kann ich nicht lange grübeln. Ich habe vielleicht 30 Sekunden, um mir verschiedene Ideen zu überlegen und dann die beste rauszusuchen. Da ist auch das ein oder andere bildliche Experiment dabei und ich bekomme durch den sofortigen Kontakt zum Publikum gutes Feedback, ob es geklappt hat oder nicht. Diese Möglichkeit finde ich super. Umgekehrt profitieren natürlich meine Graphic Recordings stark von meiner Arbeit als Comiczeichnerin. Ich kann meine Bilder so konzipieren, dass sie narrativ, unterhaltsam, und gut verständlich sind. Das ist für meine Kund*innen ein großer Mehrwert.
- Deine Comic-Kolumnen handeln von den alltäglichen Herausforderungen und gesellschaftlichen Hürden für Frau-en. Wie kommst Du zu den Themen der einzelnen Episoden?
Meine Themen finde ich in Gesprächen, beim Zeitunglesen oder einfach beim Beobachten meines Alltags. Vielleicht habe ich mich über etwas gefreut oder habe was gelernt oder bin wütend geworden – irgend-was muss mein Hirn in die Gänge bringen. Ich notiere diesen Grundgedanken und recherchiere mehr dazu. Oft sammelt sich Material zu vielen Themen parallel an und ich notiere erstmal alles gleichzeitig. Wenn ich bei einem Konzept ein gutes Gefühl habe, geht es an die Umsetzung. Beim Storyboarden arbeite ich so lange an Text und Bild, bis meine ganzen unzusammenhängenden Notizen eine stringente, lustige, informative Geschichte ergeben. In diesen Teil fließt sehr viel Zeit und Hirnschmalz, die beim Lesen verborgen bleiben.
- In Deinen Comic-Kolumnen erzählst du auch von persönlichen Erfahrungen. Wo ist bei Dir die Grenze, Privates preiszugeben?
Die Grenze lote ich bei jeder Episode neu aus. Ich frage mich dann: Was ist am wichtigsten für die Geschichte? Ich kann mit meinem Alter Ego viel machen, denn bei dem Lisa-Charakter bin ich letztendlich nur mir selbst Rechenschaft schuldig. Das hat auch etwas Kraftvolles, denn ich bin es, die über meine Außenwahrnehmung bestimmt. Andere echte Personen einzubauen, ist da viel schwieriger.
- In Deinen Comics geht es vornehmlich um Emanzipation und darum, die Geschlechterklischees aufzubrechen. Welche Botschaften liegen Dir dabei besonders am Herzen?
Wenn man gesellschaftlich nahegelegt be-kommt, wie man sich aufgrund seines Geschlechts verhalten soll, braucht es so viel mehr Energie, sich außerhalb dieser Normen zu verändern. Ich wünsche mir, dass es für Frauen, Männer und nicht-binäre Personen normal wird, ihre ganz eigenen Persönlich-keitsmerkmale zu entwickeln, ohne dass ihnen dabei durch bestimmte Klischees Steine in den Weg gelegt werden.
- Welches Feedback kriegst Du auf Deine Comic-Kolumnen im „Tagesspie-gel“ und wie gehst Du damit um?
Es gab ein paar Zuschriften, unter Anderem diese lustige: Ein Leser hat meinen Comic über BHs gelesen, in dem um den Mythos des ausgeleierten Bindegewebes geht und dass es ja auch keinen „PH“ gibt. Er hat mir widersprochen: Sogenannte „Provisorien“ (Genitalschutz aus dem Sport) wären doch genau so ein PH. Leider hat er partout nicht eingesehen, dass es keinerlei gesellschaftlichen Druck für Männer gibt, diese auch alltäglich zu verwenden. Er fand, das wäre durchaus zu vergleichen. Das amüsiert mich, da geht mein Kopfkino los.
- Was sollte sich Deiner Meinung nach unbedingt noch ändern? Also, in der Gesellschaft, aber auch im Speziellen in Deinem Berufsumfeld, was die Rolle der Frau anbelangt?
Wenn ich auf einer Führungskräftekonferenz livezeichne und dort 100 Männer sehe und zwei Frauen, ärgert mich das. Es ärgert mich auch, dass Frauen in den Medien nur 30% aller Rollen ausfüllen. Oder dass Frau-en systematisch geringeres Gehalt bekommen. All das schafft eine Umgebung, in der es nicht erwünscht ist, sich mit Frauen als Vorbildern zu identifizieren. Das muss sich unbedingt ändern.
- Woran arbeitest du gerade?
Gerade konzipiere ich einen Comic über den Gender Pay Gap. Frauen in Deutschland haben immer noch ein 80%-iges Risiko, später in Altersarmut zu landen – eine absurd hohe Zahl. Dieses Thema der systematisch geringeren Bezahlung beschäftigt mich seit Jahren, ich würde gerne etwas Längeres darüber machen.