Man kann dieses kleine wunderbare Buch keinen optimistischen Wutanfall nennen. Ich würde es eher als liebevolle Mahnung an die neue Generation sehen. Und als Entlarvung, der historischen Verklärungen stetig Gestriger. Mit vielen einfach einleuchtenden Beispielen zeigte Serres, wie gut es uns heutzutage geht und wie bescheiden das früher Bessere eigentlich war. Dabei bediente er sich einer schönen aber verständlichen Sprache. Was für einen Grandseigneur der französischen Philosophie nicht selbstverständlich war.
Ein Buch, das einem ein gutes, warmes Gefühl gibt, in gefühlt unruhigen Zeiten. Ein nicht zu bestreitend aufklärendes Büchlein für lesende Menschen jedes Lebensalter, vom Handy wischenden Jugendlichen bis zum frustrierten Rentner. Eigentlich sollte jeder es lesen, denn danach kann man eine bisschen freier atmen und sagen: Es ist viel besser heute, vor allem weil wir Frieden haben.
Michel Serres, geboren am 1. September 1930 in Agen, war ein französischer Mathematiker und Philosoph. Er absolvierte die École navale, um eine Laufbahn als Marineoffizier zu beginnen. Ab 1952 besuchte er die École normale supérieure, an der er 1955 seine Agrégation in Philosophie erhielt. Im folgenden Jahr trat er erneut in die Marine ein und fuhr jahrelang zur See. Serres war ab 1969 Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Sorbonne und wurde 1984 parallel zum Professor an der Stanford University ernannt. Ab 1990 war er außerdem einer der vierzig »Unsterblichen« der Académie française. 2012 erhielt Serres den »Meister-Eckhart-Preis« der Identity Foundation und der Universität zu Köln. Serres starb am 1. Juni 2019 in Vincennes.
Es ist nicht einfach, dieses kleine Werk würdigend zu besprechen. Daher möchte ich Michel Serres selbst zu Wort kommen lassen und einfach einen Teil seiner kleinen Ansprache an die neue Generation zitieren:
„Liebe Däumelinchen, liebe Däumlinge, verratet es den Alten, zu denen ich zähle, nicht weiter: Es ist so viel besser heute: der Friede, die Lebensdauer, der Friede, die Schmerzmittel, der Friede, die Sozialversicherung, der Friede, die Stromversorgung, der Friede, der abgeschaffte Militärdienst und die abgeschaffte Todesstrafe, der Friede, der Naturvertrag, der Friede, die Reisen, der Friede, die leichtere Arbeit, der Friede, die geteilten Mitteilungen, der Friede, …“
Große Lebensphilosophie mit verständlichen Worten. Wie sagte Michel Serres im Interview mit Le Monde: „Es ist nicht so, dass früher alles besser war, aber es könnte bald schlechter sein.“
Wenn Sie, liebe Leser noch verzweifelt Weihnachtsgeschenke suchen, für Menschen, die eigentlich alles haben, dann kann ich Ihnen nur zu diesen Buch raten. Es zaubert ein Schmunzeln auf das Gesicht, begeistert mit witziger Ironie und vor allem hinterlässt es im Herzen und der Seele etwas Glück.
Was genau war früher besser?, Michel Serres, Suhrkamp Verlag, broschierte Ausgabe, Seiten 76, ISBN 978-3-518-07497-8, Euro 12,00.