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Margret Greiner: Charlotte Salomon „Es ist mein ganzes Leben“

Charlotte Salomon von Margret Greiner

Charlotte Salomon von Margret Greiner

Gastrezension: Dr. Ulrike Bolte

Ausgehend von den Malereien der Jüdin Charlotte Salomon schildert die Autorin deren wechselvolle Geschichte vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse Nazideutschlands. Aufgewachsen in Berlin, vor der Folie familiärer Katastrophen wie dem Selbstmord der Tante und der Mutter, der der Achtjährigen als plötzlicher Grippetod erzählt wird, aufgezogen von Kindermädchen, ist Charlotte ein eigenwilliges Kind. Bis ein Kindermädchen ihr Interesse für die Malerei weckt, in die sie sich zunehmend flüchtet. Der beginnende Antisemitismus macht auch vor Charlottes Gymnasium und der Kunsthochschule nicht halt, die sie beide ohne Abschluss verlässt. Nachdem ihr Vater, ein bekannter Chirurg, nach den Ausschreitungen der Reichskristallnacht „in Schutzhaft“ genommen wird, aber auf Betreiben ihrer Stiefmutter, einer Opernsängerin, wieder entlassen wird, fährt sie zu ihren bereits emigrierten Großeltern nach Südfrankreich. Auch ihre manisch-depressive Großmutter nimmt sich das Leben vor den Augen ihrer Enkelin. Von ihrem Großvater erfährt Charlotte die wahren Umstände vom Tod ihrer Mutter. Als „feindliche Ausländer“ kommen beide kurzzeitig in das größte Lager im unbesetzten Frankreich, Gurs. Wegen des hohen Alters des Großvaters werden sie entlassen und Charlotte als Betreuerin eingesetzt – doch nur solange der Großvater noch lebt. Charlotte trennt sich von dem ewig nörgelnden Mann, der trotz Lebensmittelration stets das beste Essen für sich beansprucht und emigrierten Kindern die Schokolade stiehlt. Sie sucht sich ein Pensionszimmer, wo sie innerhalb von zwei Jahren, 1940 – 1942, auf Anraten ihres Arztes in einer „seelendrängerisch geleisteten Arbeit“ als Therapie ihr Leben aufarbeitet. So entstehen in einer comic-artigen Graphic Novel 1352 Gouachen und Pauspapierblätter, von denen sie 769 auswählt für ihr „Singespiel“ „Leben? Oder Theater?“ Interessant dabei ist ihr synästhetischer Ansatz, das Zusammenspiel von Worten, Musik und Malerei, worüber sie schreibt: „Die Entstehung der Blätter ist sich folgendermaßen vorzustellen: Der Mensch sitzt am Meer. Er malt. Eine Melodie kommt ihm plötzlich in den Sinn. Indem er sie zu summen beginnt, bemerkt er, dass die Melodie genau auf das, was er zu Papier bringen will, passt. Ein Text formt sich bei ihm, und nun beginnt er, die Melodie mit dem von ihm gebildeten Text mit lauter Stimme so lange zu singen, bis das Blatt fertig scheint.“

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