Der zweite Roman um die Wendlandermittlerin Carla Seidel ist für meinen Geschmack besser gelungen, denn er wirkt wesentlich realistischer, als sein Vorgänger. Während einer großen Gesellschaftsjagd wird einer der Gäste mit mehreren Messerstichen brutal ermordet. Die Gastgeber, Familie von Boennings entspricht so ganz dem Klischee von Landadel. Mächtig, reich, anmaßend und anscheinend jede Menge Leichen im Keller. Jedoch lässt sich die Kriminalbeamtin der Polizeistation Dannenberg nicht so schnell einschüchtern. Auch wenn jemand die Frechheit hat, es als Jagdunfall zu bezeichnen, war es definitiv Mord, und zwar eine geplante Tat. Denn der abgebrühte Mörder sah dem Opfer beim langsamen Sterben zu. Als es weitere Tote gibt, stellt sich langsam die Frage, warum man ausgerechnet diese Menschen tötete. Denn die Oper, Gäste von auswärts, sind vor langer Zeit zusammen als Kinder und Jugendliche im Wendland groß geworden.
Guter Regionalkrimi, der spannend und sehr unterhaltend ist, aber genau wie sein Vorgänger einfach hundert Seiten zu lang. In der Kürze liegt die Würze, und wenn erst einmal aus der Serie die Nebenschauplätze raus sind, die die eigentliche Geschichte nicht vorantreiben, dann können diese Regiokrimis auf einem Topniveau ankommen.
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Sia Piontek ist das Pseudonym einer ehemaligen Verlagsprogrammleiterin, die bereits mehrere Romane veröffentlicht hat. »Die Sehenden und die Toten« ist der Auftakt ihrer im Wendland angesiedelten Kriminalromanreihe um die Ermittlerin Carla Seidel. Wenn sie nicht gerade schreibt, arbeitet Sia Piontek als Schreibcoach und freie Lektorin. Sie lebt mit ihrer Tochter in Hamburg und im Wendland.
Die Geschichte und der Hintergrund der Morde ist perfide, recht brutal, doch dieses Mal realistisch und nachvollziehbar. Es geht so weit, dass man als Leser am Ende, genau wie die Ermittlerin sogar Verständnis für die Morde aufbringen könnte. Gut gefallen hat mir im zweiten Band auch die Interaktion zwischen Mutter Carla und ihrer hochsensiblen Tochter Lana. Es war ein guter Schachzug, dass auch der gewalttätige Ex-Mann keine große Rolle mehr spielte, außer, dass er aus reiner Manipulationssucht Kontakt zu seiner Tochter Lana sucht, jedoch nach dem Intermezzo recht schnell wieder verschwindet. Man kann nur hoffen, dass das Thema dann hoffentlich für immer vom Tisch ist. Denn es spielt für die Krimis keine Rolle, definiert Carlas Charakter nicht zusätzlich und verliert sich in unangenehmen Brutalitäten. Das braucht ein guter Krimi nicht. Genauso wenig, wie der für mich unverständliche Versuch, eine lesbische Sexszene einzubauen, die weder Hand noch Fuß hat.
Sia Piontek hat einen guten Stil und ein prima Gefühl für ihre Krimis, darum sollte sie sich nicht in Nebenschauplätzen verlieren, die zum Fluss der Geschichte nichts beitragen. So können die Bücher kürzer und richtig knusprig werden. Ich bin wahnsinnig gespannt, wie es mit der Serie weitergeht. Auch wenn ich hier ein wenig kritisch wirke, das sind wirklich nur Peanuts. Die Fälle sind fundiert, spannend und gut zu lesen.
Der Wolf im dunklen Wald, Sia Piontek, Goldmann Verlag, Klappbroschur, 448 Seiten, ISBN: 978-3-442-20663-6, Euro 17,00. Erschienen am 19. März 2024.