Blutbuße ist bereits der dritte Teil der Serie um Hanna Ahlander. Eine junge Polizistin am Polarkreis, die den allerbesten Instinkt hat, wenn es um Scherverbrechen geht. Sie arbeitet zusammen mit Daniel Lindskog, in den sie sich leider verliebt hat. Aber er ist eine verbotene Frucht, da er kürzlich Vater geworden ist und außerdem wähnt Hanna ihren Kollegen in einer glücklichen Beziehung. Ausgerechnet in der Osterwoche, in der alle sich auf ein langes freies Wochenende gefreut hatten, wird eine erfolgreiche Unternehmerin ermordet. In ihrem Zimmer in der Copperhill Mountain Lodge muss ein Gemetzel stattgefunden haben, denn jemand stach immer und immer wieder auf die Frau ein. Sie ihres Zeichens war nicht gerade Everybody’s Darling. Wie sich zeigt, hatten eine Menge Menschen etwas gegen die knallharte Investorin. Nicht zuletzt, weil sie ein altes Hochgebirgshotel, ein Symbol der goldenen siebziger und achtziger Jahre in Storlien, für Millionen abreißen und im neuen Glanz wieder aufbauen wollte. So fängt der neue Polarkreis-Krimi von Viveca Sten an. Und wir Leser bekommen eine Handvoll mögliche Täter serviert. Ist es ein Mitglied ihrer Familie, ein Verfechter des alten Hotels, ihr Kompagnon, die Investmentmafia, ein korruptes Stadtratsmitglied oder doch nur ein Hotelangestellter, der auf Rache aus ist?
Eine gute Story, vor allem mit dem alten Hotel, das mich irgendwie an das Overlook Hotel aus Steven Kings Buch, Shining erinnerte. Gut hätte mir gefallen, wenn Viveca Sten, anstatt zu viele private Schauplätze der Polizisten auszuleuchten, mehr Zeit und damit Text in dem alten Hotel in den siebziger Jahren verbracht hätte. Diese Passagen hatten einen ganz besonderen Reiz und machten die alte Hotelruine in der heutigen Zeit zu einem Ort des Gruselns. Spannend, gut geschrieben mit hervorragenden Protagonisten und von mir gibt es eine hundertprozentige Leseempfehlung.
Autorinnenfoto: Fotocopyright ® Niclas Vestefjell
Viveca Anne Bergsted Sten, geb. 1959 in Stockholm, ist Juristin und eine der bekanntesten schwedischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Mit ihrer Familie lebt sie nördlich von Stockholm. Seit ihrer Kindheit verbringt sie jeden Sommer auf Sandhamn in den Schären. Im Winter aber reist sie zum Skifahren nach Åre – dem Schauplatz ihrer neuen Reihe. Viveca Stens Sandhamn-Serie gehört zu den erfolgreichsten Krimiserien aus Skandinavien und lieferte den Stoff für den TV-Serienhit Mord im Mittsommer. Ihre Bücher sind in 24 Sprachen übersetzt.
Auch der dritte Band hat an Spannung und Drama nicht verloren. Der Mord an Charlotte Wretlind wird auf fünfhundert Seite Häppchen für Häppchen aufgeklärt. Auch wenn der erfahrene Krimileser so eine Ahnung bekommt, ist die Geschichte dennoch nicht ganz so durchsichtig, dass man alle Details erahnen kann. Auch wenn ich oben sagte, ich hätte lieber länger im Hochgebirgshotel Storlien in den achtziger Jahren verbracht, als auf den Privatschauplätzen der Polizisten, so stellt sich die Frage, ob nicht genau diese zusätzlichen Auseinandersetzungen die Würze in dem Buch verbreiten. Denn nicht nur Hanna fallen die Gefühle für Daniel schwer und darüber tröstet sie kein Morris und auch kein Henry hinweg. Auch Antons Herz ist immer noch erfüllt von seiner letzten Liebschaft mit Carl, die so dumm in die Brüche ging. Viel schlimmer geht es eigentlich Daniel, obwohl er noch nichts von dem sich anbahnenden Drama weiß. Zu sehr mit der Aufarbeitung seiner eigenen Kindheit beschäftigt, bemerkt er nicht, wie sehr sich seine Freundin Ida langweilt. Und als sie ihren alten Schwarm, den Skilehrer Gustav wieder triff, ist es eigentlich um sie geschehen. Es ist abzusehen, das Ida Daniel verlassen wird, egal ob sie eine kleine Tochter haben oder nicht. Tja, das sind nur die privaten Dramen der Polizisten, dann warten Sie, liebe Leser mal, was für Tragödien sich erst bei den Opfern und deren Familien abspielen. Es ist einfach ein großartiges Krimivergnügen vom frostigen Polarkreis.
Erwähnenswert ist für mich auch, dass Viveca Sten keinen Hehl daraus macht, wie sehr Sie den Katastrophentourismus von an Tatorten und bei Unfällen filmenden Schaulustigen verachtet. Wie sehr sie die Hetze in den sozialen Plattformen, besonders gegen Frauen, anwidert. Denn den Gedanken, den sie Daniel in den Kopf legt, ist ein fast trauriger, wenn er Folgendes sinniert: Zitat: „Heutzutage ist es normal, dass Gaffer an Tatorten filmen, auch wenn sie eigentlich helfen sollten. So sieht die Welt mit sozialen Medien aus.“ Zitat Ende.
Blutbuße, Viveca Sten, dtv, Paperback, Seiten 512, ISBN: 978-3-423-44508-5, Euro 17,99, erschienen Oktober 2024, übersetzt von: Dagmar Lendt.