Marco Polo: Il Milione. Die Wunder der Welt

Ein schön gestaltetes Buch mit 16 intensiven Farbtafeln auf Bilderdruckpapier gedruckt und mit schützender Lackschicht versiegelt, schwergewichtig liegt es vor mir. Der Inhalt, Marco Polos Reisebeschreibungen, sind mehr als 700 Jahre erhalten geblieben. In Zeiten, in denen unser Sprachgebrauch um Worte wie „Flugscham“ und „klimaneutral“ erweitert wird, ist ein ideelles „Reisen“ mit Marco Polos Erinnerungen ökologisch korrekt und ohne Gefahr für Leib und Seele. Schon Christopher Kolumbus wurde von den Reiseberichten des venezianischen Kaufmanns und Reisenden, Botschafter des Grosskhan und Gesandter des Papstes inspiriert. Marco Polo verbrachte insgesamt 26 Jahrein der Ferne und so sind es keine flüchtigen Momentaufnahmen, sondern fundierte Beschreibungen von Land und Leuten, Lebens- und Essgewohnheiten und weitsichtigen Herrschern. Es ist in der Tat die leidenschaftliche Neugier des venezianischen Reisenden für die Bräuche, das Leben, die Traditionen der verschiedenen Völker, sein Gespür für das Unbekannte, sein Durst nach dem Neuen und dem Ungewöhnlichen, was das unverwechselbare Merkmal und der Tenor dieses grandiosen Asien-Führers ist. 1298 bat Marco Polo seinen Mithäftling, den Dichter Rustichello da Pisa im Gefängnis von Genua alles aufzuschreiben. Er selbst hatte nur wenig notiert. Der ursprüngliche Text der Beiden ist verschollen. Französische und Lateinische Quellen (die dieser Jubiläumsausgabe zugrunde liegen) haben die Jahrhunderte überdauert und lassen eine magische Welt erstehen: das Asien des 13. Jahrhunderts.

Wir Leser: innen können uns nur beim Manesse Verlag für die vorliegende, neu übersetzte Fassung bedanken und die Arbeit von Elise Guignard, Übersetzung, nicht genug würdigen. Tilman Spengler schreibt in seinem Nachwort von einem Glücksfall. „Ein Glücksfall in mehr als zweihundertdreißig meist kurzen Kapiteln…“ Nicht zuletzt sind es diese kurzen Kapitel, die auf der ganzen Welt Abenteurer, Gelehrte, Sinologen und selbst Johann Wolfgang von Goethe faszinierten und inspirierten.

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Marco Polo wurde um 1254 in Venedig geboren. Bereits 1271 reiste er mit seinem Vater, einem Kaufmann, nach China. Dort gewann er das Vertrauen des Herrschers Kublai Khan und unternahm in dessen Auftrag ausgedehnte Reisen. Erst 1295 kehrte er nach Venedig zurück. Als Kommandant einer venezianischen Galeere nahm Marco Polo 1298 an einer Seeschlacht zwischen den Flotten Venedigs und Genuas teil und geriet in Gefangenschaft. Dort diktierte er die Geschichte seiner Reisen einem Mitgefangenen, Rustichello da Pisa, der sie unter dem Titel „Il Milione“ in einer französisch-italienischen Mischsprache niederschrieb. Nach seiner Entlassung kehrte Marco Polo 1299 nach Venedig zurück, wo er 1324 starb.

Foto: deutschlandfunkkultur

Tilman Spengler, 1947 in Oberhausen geboren, studierte Sinologie und war mehrere Jahre an dem Max-Planck-Institut für Sozialwissenschaften in Starnberg tätig. Neben seiner akademischen Tätigkeit publiziert er u.a. regelmäßig in der ZEIT, in GEO und der «Woche». Seit 1980 ist er Mitherausgeber des Kursbuchs. 1991 veröffentlichte er die Romanbiografie «Lenins Hirn», die in einundzwanzig Sprachen übersetzt wurde.

Dieses unerhört lebenspralle Buch stammt aus einer Epoche, als die Welt noch voller Wunder war. Und von diesen Wundern, die dem Abenteurer Marco Polo auf seiner Asienreise entlang der Seidenstraße begegnen, berichtet er seinen Zeitgenossen in Europa in enthusiastischer Fülle und Detailverliebtheit. So entsteht Seite um Seite ein Kultur- und Sittenbild der bereisten Städte und Reiche, die so klangvolle Namen tragen wie Catai, Sapurgan, Balc, Sindufu, Quardandan, Mien oder Bangala. Ob sagenhaft mächtige Herrscher, würdevolle Tempeltänzerinnen, stolze Palastanlagen, kostbare Geschmeide und Gerätschaften, üppig geschmückte Bogen, Köcher, Sättel und Zaumzeug, nie gesehene exotische Tiere oder heidnische Gebräuche, Marco Polos legendäres Weltbuch strotzt nur so von fantastischen Reiseeindrücken, Anekdoten und Kuriositäten. Und als Handelsreisender hat er auch ein Auge für das Postwesen, den Geldverkehr, die Organisation des öffentlichen Lebens bei Tataren, Mongolen und Chinesen.

Manesse Verlag – gebunden – Seiten – 45,00 € – ISBN 978-3-7175-2566-0

 

 

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