Rabenkinder ist ein Krimi, wird sogar als ein Wende-Krimi bezeichnet. Damit spielt er um die Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung von BRD und DDR zu Deutschland. Die bedrückenden Erzählungen des zum Teil brutalen Jugendhof-Systems in der ehemaligen DDR sind wirklich schockierend. Denn wer als Jugendlicher oder sogar als Kind nicht anpassungsfähig war, wurde auf das Kollektiv eingeschworen, auch wenn dafür brutale Gefängnismethoden angewandt wurden. Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn Grit Poppe ein Jugendbuch aus der Thematik gemacht hätte oder einfach nur eine Erzählung. Denn die Idee ist sehr gut und spannend zu lesen, doch was den Krimi angeht, fehlen mir ein paar eklatante Dinge, die einen wirklich mitreißenden Krimi ausmachen. Auch hapert es ein wenig an authentischen Protagonisten.
Dennoch ist Rabenkinder gut zu lesen und hat seine Spannungsmomente, doch zum Krimi des Monats, würde ich ihn nicht wählen.
Autorinnenfoto: Copyright ® Gregor Baron
Grit Poppe, geboren 1964 in Boltenhagen, studierte am Literaturinstitut in Leipzig und arbeitet als freiberufliche Autorin. Sie schreibt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Bücher. Ihr Jugendroman Weggesperrt wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher. Zuletzt erschienen sind der Roman Angstfresser (Mitteldeutscher Verlag, 2020), die Jugendromane Alice Littlebird (Peter Hammer Verlag, 2020) und Verraten (Dressler Verlag, Herbst 2020). Sie lebt in Potsdam. https://www.grit-poppe.de/
Die Beschreibungen der Jugendwerkhöfe und vor allem des „Jugendgefängnis“ von Torgau ist sehr gut. Auch hat die Autorin unglaubliche Stärken, wenn es um die Charaktere von Jugendlichen geht. In der Hinsicht ist das Buch erstklassig. Leider verwischt sich der Eindruck, sobald die Polizistin Beate Vogt und auch Josef Almgruber vorgestellt werden. Beide sind Schablonen von Typen, denen man die Plakette Ossi und Wessi auf die Brust heften möchte. Da hilft auch der gehörlose Sohn von Almgruber nicht. Zwar hat Beate Vogt ihre Stärken, wenn es um das emotionale Verständnis der ehemaligen DDR Bürger geht, das hätte auch noch mehr einfließen können, doch abgesehen davon ist sie für eine Polizistin zu unscheinbar und oberflächlich rausgearbeitet. Wem, wenn nicht den Polizisten sollte der Mauerfall nicht entgangen sein? Beate Vogt wird bei einem Gespräch mit einem Kollegen darauf hingewiesen, dabei war sie gerade diejenige, die wegen Sympathien von kontrarevolutionären Demonstrationen in den Innendienst kam. Da stimmt dann etwas nicht zusammen. Ähnlich verhält es sich mit Josef Almgruber, dessen Verunsicherung mit dem Osten und sein Unverständnis durch die penetrante Bezeichnung der DDR als Zone unnatürlich wirken.
Als Serie ist das Team nicht schlecht angelegt und vielleicht entwickeln Grit Poppes Protagonisten noch ihre Stärken im nächsten Band.
Rabenkinder, Grit Poppe, Ullstein, Taschenbuch, Seiten 491, ISBN: 978-3-548-06655-4, Euro 11,99, erschienen 27.10.2022.