Gastrezension: Dr. Ulrike Bolte
Leif Karpe führt uns in einem kriminalistischen Spannungsbogen in die Bildwelt der Impressionisten. Sein Protagonist Peter Falcon (Columbo alias Peter Falk lässt grüßen) wird vom Auktionshaus Chroseby in heikler Mission nach Paris geschickt: er soll einer Kunsthistorikerin Geld übermitteln, die aufgrund ihrer Recherchen über eine Fälscherwerkstatt im Gefolge van Goghs die Herbstauktion gefährden könnte. Ohne sein Zutun stürzt der „Bilderflüsterer“ in Szenarien wie dem Atelier des berühmten Fotografen Nadar, erfährt die zwiespältige, skandalöse Reaktion auf Manets „Frühstück im Grünen“ mit einer Nackten im Kreis bekleideter Männer.
Leif Karpe, 1968 geboren, arbeitet seit über 20 Jahren als Regisseur und Kameramann für Dokumentar- und Spielfilme aus dem Kunstbereich. Dabei sind entstanden u.a. Produktionen über Botticelli, Andy Warhol, Jeff Koons, Ai Weiwei und William Turner. „Der Mann, der in die Bilder fiel“ ist sein Debutroman.
Er schlendert durch das Künstlerviertel von Montmartre mit dem „Bateau Lavoir“ und dem Place du Tertre, wo er einem chinesischen Kopisten begegnet. Dieser fälscht ein Renoir Gemälde, der es selbst für einen Freund nachgepinselt hat. Schon hier stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen Original und Fälschung, die am Ende des Romans zugespitzt wird in einer Fälscherwerkstatt mit van Goghs Sonnenblumenbildern, die buchstäblich in Flammen aufgehen. Wir begegnen Falcon auf der Suche nach der entführten Kunsthistorikerin Blumenstihl in Monets Garten in Giverny, in Edgar Degas Loge beim voyeuristischen Degoutieren der Balletelevinnen in Garniers Oper oder bei Toulouse- Lautrec angesichts der Cancan Tänzerinnen im Moulin Rouge. Er findet Blumenstihl schließlich in der Provence, Cézannes Mont Ste. Victoire malend und Arles auf den Spuren van Goghs und Gauguins erkundend. Neben diesen phantastischen Reisesequenzen von Bild zu Bild wie in einem Film, in dem man den Kameramann Leif Karpe erkennt, finden sich philosophische Überlegungen wie zum Wesen des Impressionismus, „einen Moment schneller zu sein als die Wirklichkeit, die sterbende Sekunde einzufangen, ehe sie sich ihrer eigenen Vergänglichkeit gewahr wird“ – in dem man die adäquate Lichtregie erfühlen kann – neben Überlegungen von Nietzsche und Gedichten von Rilke. Die raffiniert zwischen Illusion und Wirklichkeit pendelnde Geschichte bietet Einblick in viele Rätsel, die am Schluss aufgelöst werden angesichts von van Goghs „Sternennacht“, in derer Nachempfinden sich Peter Falcon alias Leif Karpe wieder finden. Ein opulenter Kriminalroman in einem gut lesbaren, bildreich-lyrischem Schreibstil, der Lust macht auf eine der spannendsten Epoche der Kunstgeschichte!
Leif Karpe „Der Mann, der in die Bilder fiel. Ein Fall für Peter Falcon“ 2020, Verlag Nagel & Kirche, ISBN 978-3-312-01165-0, 22 Euro