Mit dem Kommissar Gereon Rath hat der Autor Volker Kutscher eine Figur geschaffen, die so etwas wie der Durchschnittsmensch in den Zeiten des Naziregimes gelten kann. Mit seinem Beruf hat der Kommissar natürlich andere Möglichkeiten hinter die Kulissen der Politik und der Bevölkerung zu schauen als der Durchschnittsbewohner. Deshalb wirken diese Romane so authentisch, man spürt die Atmosphäre der Angst, der Erpressung und der gnadenlosen Indoktrination des Regimes. Spannend ist immer die Auseinandersetzung zwischen der Kriminalpolizei und der Gestapa (geheimes Staatsschutzamt). Persönliche Freundschaften zerbrechen durch Ideologien. Die Polizei des Reiches hat in diesen demokratisch rechtlosen Zeiten einen schweren Stand.
Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Mit dem Roman »Der nasse Fisch«, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der 30er-Jahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher vier weitere folgten.
Berlin, Ende Mai 1934. Die anfängliche Begeisterung für die Regierung Hitler schwindet, die unberechenbare SA macht vielen Bürgern Angst. Und Gereon Rath gerät bei seinen aktuellen Ermittlungen ausgerechnet mit den Braunhemden aneinander.
Unter der Eisenbahnbrücke an der Liesenstraße, unter einer unvollendeten kommunistischen Parole, liegt ein SA-Mann, der scheinbar erschlagen wurde, tatsächlich aber an einem Glasauge erstickt ist. Am Tatort trifft Kommissar Rath auf seinen früheren Kollegen Reinhold Gräf, der nun für die Geheime Staatspolizei arbeitet. Während Gräf von einem politischen Mord ausgeht, ermittelt Rath in eine andere Richtung und entdeckt Verbindungen zum zerschlagenen Ringverein »Nordpiraten«, der seine kriminellen Aktivitäten als SA-Sturm getarnt fortsetzt. Als ein zweiter SA-Mann erschlagen aufgefunden wird, scheint alles auf eine Mordserie zu deuten. Eine Spur führt in den seit Kurzem geschlossenen Lunapark, einstmals Berlins berühmtester Rummel. Und Rath fragt sich, welche Rolle Unterweltboss Johann Marlow, ein Erzfeind der »Nordpiraten«, in diesem Fall spielt. Die politische Lage wird immer brisanter, Raths Frau Charly gerät in SA-Haft, und der Kommissar wird in einen Strudel sich überschlagender Ereignisse gezogen, an deren Ende er sogar einen unmissverständlichen Mordauftrag erhält. Wird er ihn ausführen?
Volker Kutscher liefert Spannung und das packende Porträt politisch höchst unruhiger Zeiten in denen schnell und brutal durchgegriffen wird. In Zeiten der politischen Säuberungen kann dann ein kleiner Polizeikommissar schnell unter die Räder kommen.
Volker Kutscher: Lunapark. Gereon Raths sechster Fall, historischer Kriminalroman, Kiepenheuer & Witsch, 560 Seiten, gebunden mit SU, ISBN: 978-3-462-04923-7; € 22,99