Um es vorweg zu nehmen: ich habe den Film – noch – nicht gesehen, bin aber erst einmal neugierig und gespannt auf das Buch. Anders als beispielsweise der Kunsthistoriker Uwe Fleckner, der in „Im Schatten der Blauen Pferde“ die Suche nach dem verschwundenen Bild „Turm der blauen Pferde“ von Franz Marc in den Mittelpunkt seines auf Fakten und Fiktion basierenden Romans stellt oder Simone Meier, die die Frau von Vincent van Gogh, Jo van Gogh-Bonger, in „Die Entflammten“ (beide Bücher hier an anderer Stelle vorgestellt) zur Protagonistin ihrer Erzählung macht und beide ihre Geschichten mit viel Emotionen und Leidenschaft erzählen, bleiben Alice Brauner und Heike Gronemeyer sachlich distanziert. Und so ist es schwer, einen emotionalen Zugang zu dieser Geschichte über ein außergewöhnliches Paar und über zwei außergewöhnliche Malende, die Mitbegründer der Künstlervereinigung „Der blaue Reiter“ sind, zu finden. Die Autorinnen übernehmen eher die Rollen der Chronistinnen als die der Erzählerinnen. Dennoch gelingt es Brauner und Gronemeyer ein komplexes Bild dieser außergewöhnlichen Menschen, ihrer ebenso außergewöhnlichen Lebenswege und ihrer toxischen Beziehung zu zeichnen. Eine Beziehung, die zwischen Lehrer und Schülerin nicht auf Augenhöhe beginnt, eine Beziehung zwischen Mann und Frau, die von Machtkämpfen geprägt ist, aber letztlich zur Emanzipation Münters beitragen und sie zur eigenständigen Künstlerin reifen lässt. Denn auch das ist ein wichtiger Aspekt in der Beziehung dieser beiden Malenden: Münters Kampf aus dem Schatten Kandinskys herauszutreten und als eigenständige Künstlerin wahrgenommen zu werden.
Münter rettet einen großen Teil von den als „entartete Kunst“ bezeichneten Bilder Kandinskys und anderen betroffenen Malern unter Lebensgefahr, versteckt sie in ihrem Haus in Murnau und schützt sie unter großen Entbehrungen.
Leider gibt es nicht für alle Liebenden ein Happy End. So auch nicht für Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Der macht – wie eh und je – sein eigenes Ding. Kandinsky kehrt nach dem Krieg nicht zu Münter zurück, sondern heiratet in Russland und bleibt dort.
Alice Brauner, geboren 1966, ist Journalistin, promovierte Historikerin und Filmproduzentin. 1999 promovierte sie am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Sie war Mitarbeiterin in Steven Spielbergs Stiftung Survivors of the Shoah Visual History Foundation, für die sie auch ihre Mutter interviewte. 2006 stieg sie in die CCC Filmkunst ihres Vaters, des legendären Filmproduzenten Artur Brauner, ein, die sie seit 2019 leitet. Sie produzierte u.a. »Wunderkinder« und »CRESCENDO #makemusicnotwar«. Ihr Buch »Also dann in Berlin… Artur und Maria Brauner. Eine Geschichte vom Überleben, von großem Kino und der Macht der Liebe« über ihre Eltern war ein SPIEGEL-Bestseller. Alice Brauner lebt mit ihrer Familie in Berlin und München.
Heike Gronemeier, geboren 1969, arbeitete nach einem literaturwissenschaftlichen Studium zehn Jahre als Lektorin bei renommierten Verlagshäusern in München und Berlin. 2008 machte sie sich mit der Verlagsagentur text & bild in München selbständig. Seitdem betreut sie als Lektorin Autor*innen wie Hillary Clinton, Yael Adler, Mai Thi Nguyen-Kim und Hamed Abdel Samad. Als Ghostwriterin und Co-Autorin verfasste sie zahlreiche Spiegel-Bestseller, unter anderem die Autobiografien von Natascha Kampusch, Carlos Benede, Monica Lierhaus und zusammen mit Alice Brauner die Lebensgeschichte ihrer Eltern, des legendären Filmproduzenten Artur Brauner und seiner Frau.
Penguin Verlag – gebunden – 336 Seiten – 28,00 € – ISBN 978-3-3286-0370-2