Bistro Bistro, Stéphan Reynaud, ein ultimatives französisches Kochbuch, DK Verlag

Wenn man an französische Küche denkt, kommen einem Wörter wie Larousse Gastronomique, der Guide Michelin mit seinen berühmt, berüchtigten Sternen und wohl auch Paul Bocuse, der von 1965 bis 2019 jedes Jahr drei der begehrten Sterne in seinem Restaurant erhielt, in den Sinn. Ein Bistro hingegen, das war doch so eine Art Kneipe, in der man sich ein Croque Monsieur auf der Klassenfahrt in Paris gerade noch leisten konnte, oder? Dabei wissen Frankreichkenner, dass ein Bistro in erster Linie ein Ort der Begegnung ist, wo man von morgens früh bis spät abends einkehren kann und meistens wesentlich besser isst und trinkt, als man es erwarten würde.

Bistro, Bistro ist nun ein kulinarischer Führer, der uns durch 250 Rezepte und 100 Weine begleitet, einen Überblick bei Brot-, Wurst-, Käse-, Kartoffel-, Fisch- und Meeresfrüchtesorten verschafft und auch nicht Halt davor macht, uns das richtige Weinglas zu erklären. Wenn Sie glauben, das Essen im Bistro, angefangen mit dem Frühstück, bis zum späten Snack am Abend nur rustikal und Regional ist, dann irren Sie sich gewaltig.

Lassen Sie sich von diesem herrlich dicken Buch, mit seinen appetitlichen Farbfotos von fast jedem Gericht und den ansprechenden Illustrationen verführen. Die knapp vierzig Euro sind eine Investition, die jeden Liebhaber der französischen Küche gering erscheint und selbst Hobbyköche in seinen Bann schlägt. 

Stéphane Reynaud ist ein französischer Koch, Kochbuchautor und Gastronom. Er lebt mit seiner Familie in Paris und ist vor allem für seine weitreichenden Kenntnisse zu Fleischthemen bekannt. Kein Wunder, dass sein 2005 erschienenes Buch Pork and Sons den Grand Prix de la Gastronomie Française gewann, das auch in Deutschland erschienen ist. Weitere Bücher von ihm sind „Wild. Auf der Jagd nach den besten Rezepten“, „Terrinen und Pasteten“ oder „Ein Topf und fertig!“, die sein großes Interesse an nahezu allen Kochthemen zeigen. Fotografien in dem Buch von Marie-Pierre Morel.

Viele Bistros öffnen in der Stadt und auch in den kleineren Orten bereits um sieben Uhr am Morgen. Dort trifft man dann die Müllmänner, bevor ihre Schicht anfängt, den Postboten und manchmal auch den Schlipsträger, bevor er in die Bank eilt. Auf einen schnellen Espresso, une Noisette oder un Creme mit einem Croissant zum Aufwachen hat man in Frankreich Zeit. Bevor es in unserem Kochbuch dann zu den warmen morgendlichen Hungerstillern wie Omelette und Soufflé geht, erhält man eine kleine Kaffeekunde.

Da die Franzosen ein Volk des ausgiebigen Dinierens nach sieben Uhr abends sind, ist der Überblick der Mittagskarten in einem normalen Bistro auch immer überschaubar. Mit Sandwich und Spiegeleiern ist es da meist getan und im besten Fall gibt es ein Bièrre oder ein Panaché, was man bei uns als Radler oder Alster kennt. In Paris und den Touristenstätten ist die Auswahl am Mittag etwas größer, weil Reiselustige aus aller Welt verköstigt werden müssen. So hat der Autor auch hier Tagesgericht, wie Salate Nicoise, Quiche und besagten Croque Monsieur nicht vergessen.

Doch so richtig los geht es im Bistro nach 19:00 Uhr, wenn man sich erst einmal zum Apéro trifft. Kleine Snacks wie nussige Oliven, Humus aus Linsen oder Sardellen in Knoblauch passen zu einem appetitanregenden Aperitif. Fünf Kandidaten finden wir auf Seite 48, die zu internationalen bekannten Cocktails wurden. Und dann wird es ernst. Eine Austern- und Meeresfrüchtekunde zeigt wie wichtig, diese Lebensmittel für den Gaumen der Franzosen sind. Und hier rede ich nicht von regionaler Küche. Man muss nicht an der Küste leben, auch im Landesinneren, wie zum Beispiel in Orléans, gibt es kaum ein Bistro oder Markt, welche keine frischen Austern anbietet. Doch sehen wir uns die Rezepte an, ob Meeresschnecken mit Miso Mayo, mit Mandeln gratinierte Austern, Miesmuscheln in Sahne oder Jakobsmuscheln in Bärlauch, alle einfach und mit passendem Wein beschrieben, lassen mir gerade das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag durch die Vorspeisen, ob es eine Kaninchenterrine,  Geflügelpasteten, Leberparfait oder Rillettes von der Ente sind oder doch lieber eine Suppe oder ein Gemüsehappen, wie Spargel Mousseline, Spinatsalat und Sellerie in Remoulade. Aber auch hier darf Fisch und Fleisch nicht zu kurz kommen.

Von Markknochen bis hin zu Schweinefüßchen mit Gribiche, die man in der Auvergne gerne serviert, findet sich hier so einiges, für uns vielleicht exotisch, aber sehr, sehr lecker.  Alle Rezepte traute ich mir nach kurzem Studium zu und das spricht für einfache Handhabung. Ich sollte jetzt nicht weiter über die Hauptgerichte schwärmen, doch ich muss erwähnen, dass es sogar Rezepte für Boudins gibt, die ich in meiner alten Heimat Orléans geliebt habe. Insgesamt achtzig, Geflügel-, Fisch- und Fleischhauptgerichte biete uns Monsieur Reynaud.

Bevor wir zur Königin des Menüs kommen, den Süßspeisen, legen wir hier eine Käsekunde ein. Nach Regionen aufgeführt, kann man alles über Brie, Saint  Nectaire, Bleus, Munster bis Reblochon lernen. Natürlich wird der ideale Wein dazu empfohlen. Und dann haben wir die Dessert Klassiker aus den Bistros, Ile flottante, Crème brulée, Mousse au chocolat, Tarte Tartin, Zitronentarte mit Baiser, Paris-Brest oder Baba au rhum. Damit habe ich nur einen Bruchteil genannt. Schnell noch ein kleine Digestif-Kunde und einen Fondant zum Café und wir sind endlich satt.

Ich glaube, dies ist die längste Rezension, die ich je geschrieben habe. Doch dieses Kochbuch ist für mich eine Offenbarung. Man muss nicht in Frankreich gelebt haben, um so ins Schwärmen zu geraten. Doch ich hatte das Glück, dass mich meine französischen Freunde in Orléans an die Hand genommen haben und einfach nur sagten: Erst probieren, rauer Teutone, dann kannst du behaupten, du magst es nicht. Und so wurde ich eine Liebhaberin von Austern, Boudin, Rillette, Fois gras mit einem Süßwein, am besten einem Sauternes und elsässischem Sauerkraut mit Würstel und Bauchspeck. Selbst ein die Nase auffällig reizender Munster mit einem Gläschen Pinot Noir katapultiert mich mittlerweile ins kulinarische Paradies.

Wenn Ihnen jetzt auch ein wenig wässrig im Mund wurde und sie erst mal in den Kühlschrank schauen müssen, dann ist Bistro, Bistro bestimmt etwas für Sie. Die andere Alternative zum Kaufen ist natürlich, Sie lassen es sich schenken, zu Weihnachten, dem nächsten Geburtstag oder einfach, weil sie jemanden an ihrer Seite haben, der Genuss, genau wie Sie zu schätzen weiß. Bon appétit!

Bistro, Bistro, Stéphane Reynaud, DK Verlag, gebundenes Kochbuch, Seiten 480, ISBN 978-3-8310-4584-6, Euro 39,95. Erschienen Oktober 2022.