Schlagwort: italienisches Familiendrama

Sechzehn Monate, Fabio Andina

Fabio Andina hat einen außergewöhnlich interessanten Schreibstil, der mich schon in seinem Buch ›Davongekommen‹ völlig fasziniert hat. In seinem neuen Roman erzählt er eine aufwühlende, berührende und mitnehmende Geschichte derart unaufgeregt, dass man versucht ist, es als alltägliche fast profane Erzählung zu verstehen. Nur ist sie das ganz und gar nicht, weder für die beiden Protagonisten noch ihre Familie, dem Dorf und vor allem nicht für den Leser. Denn als Leser steckt man in den Schuhen des Schreiners Giuseppe, bemüht, die Unbegreiflichkeit des Geschehens zu verstehen, bevor man sich darin machtlos ergeben muss.

Giuseppe ist ein guter Kerl, er hat zwei kleine Kinder, eine glückliche Ehe mit Concetta und wunderbare Eltern und Schwiegereltern. Trotz der harten Zeiten im Jahr 1944 versuchen sie, in ihrem kleinen italienischen Dorf an der Grenze zur Schweiz das Beste aus dem Leben zu machen. Auch wenn Giuseppe sich eigentlich aus der Politik heraushält, so hilft er doch jüdischen Flüchtlingen für etwas Geld über den Fluss in die Schweiz. Bis er denunziert wird und die SS ihn verschleppt. Nur auf Strümpfen wird er vom Mittagstisch weggezerrt. Und dann beginnt die Erzählung, sich in zwei immer wechselnden Strängen, aus Giuseppes und Concettas Erleben der Situation zu teilen. Sechzehn Monate dauert ihr Martyrium. ›Sechzehn Monate‹, so heißt auch dieses kleine, erstaunliche Buch.

Es ist kein Wunder, dass diese Erzählung mit dem Schweizer Literaturpreis 2025 ausgezeichnet wurde. Es ist ein literarischer Schatz, mit einer Geschichte, die ans Herz geht und den Geist schärft, verpackt in einem außergewöhnlichen Schreibstil. Fabio Andina ist für mich einer der bemerkenswertesten zeitgenössischen Autoren in Europa!

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