
Leider war es das wohl. Der dritte und letzte Teil der Kriminalistinnen-Reihe ist mit dem Titel, ›Der stumme Zeuge‹ erschienen. Aber man darf hoffen, vielleicht entscheidet sich der Autor doch für eine Fortsetzung. Das Potenzial zur Serie haben diese Kriminalromane auf jeden Fall. Und ich als bekennender Fan würde es mir sehr wünschen. Aber man darf nicht undankbar sein, Mathias Berg hat in diesen letzten Teil gleich zwei Fälle bearbeitet und in dem Privatleben der Protagonistin ist auch definitiv die Hölle los.
Wie immer hat der Autor ganze Arbeit bei der Recherche um die 1970. Jahre hingelegt. Wenn man da liest, wie die Polizeimaßnahmen bei einer Geiselnahme eines Banküberfalls abliefen, fängt der heutige Mensch an zu schmunzeln und glaubt es kaum. Aber hey, Leute, das war damals so. Immerhin war 1971 überhaupt der erste Bankraub mit Geiselnahme im Nachkriegsdeutschland. An Erfahrung fehlte es damit auch der Polizei. Aber auch die liebenswerten Dinge von damals werden völlig richtig beschrieben. Da ich selbst in den sechziger Jahren im Ruhrgebiet geboren bin, kann ich nur sagen, diese spezielle Atmosphäre trifft der Autor ganz einmalig! Außerdem handelt es sich um einen spannenden, extrem realistisch anmutenden Vermisstenfall, einen Bankraub, wie erwähnt und dann gibt es noch so einige Sozialstudien aus der Kölner Unterwelt dieser Zeit.
Der Kriminalroman macht einfach Spaß, weil er so viel mehr hat als Spannung. Es geht um die Stellung der Frau in der Gesellschaft, erste zarte Schritte in Richtung Täterpsychologie und Profiling, die gesellschaftlichen Zwänge der 1970 und das harte Leben der Männer im Pütt, den Kohlebergwerken des Ruhrgebiets. Seit 1970 sind mehr als fünfzig Jahre vergangen und wir leben in einer vollkommen anderen Welt. Dennoch ist es noch spannender einen Krimi zu lesen, der in dieser fantastisch recherchierten Vergangenheit spielt. Großes Lob für dieses Buch und eine noch größere Leseempfehlung!
Autorenfoto: Copyright ® Annika Fußwinkel
Lucia Specht ist nach ihrer massiven Verletzung wieder im Dienst als Polizeianwärterin und arbeitet jetzt in der Vermisstenstelle. Ausgerechnet ihr erster Fall ist der eines vermissten vierjährigen Mädchens. Ein Fall, der jedem Menschen unter die Haut geht. Parallel dazu ermittelt sie als eine der ersten Undercover-Beamtinnen im Kölner Unterweltsmilieu. Nicht, dass sie damit schon genug am Hals hätte, verunglückt ihr Bruder Henning bei einem Zechenunglück. Schwer verletzt wird ihm auch noch die Diagnose Staublunge gestellt. Jetzt ist ihr Papa alleine in der Wohnung, der den Tod seiner geliebten Frau nie überwunden hat. Als Lucia in ihres Bruders Zimmer ein paar Dinge für das Krankenhaus packt, fällt ihr ein Notizbuch in die Hand. Daraus geht eindeutig hervor, dass Henning, der Bergmann, jemanden über Wochen hin überwacht hat. Den Mann, der dringend verdächtigt wird … (kein Spoiler an der Stelle!)
Der alltägliche Wahnsinn muss auch noch erwähnt werden: Lucia ist weiterhin in Johannes den Polizeipsychologen verliebt. Der denkt, dass sie und ihr Kollege Toni ein Paar sind. Dabei hilft sie Toni nur seine Homosexualität zu verheimlichen, die zur Kündigung bei der Polizei führen würde. Johannes hat ebenfalls eine Freundin und das sehr zu Lucias Leidwesen. Und dann taucht auch noch ihre Sommerliebe Pascal auf, der sie damals am letzten Tag im Urlaub hat sitzen lassen. Wenigsten schätzen und fördern Otto Hagedorn, der mittlerweile Kölner Kollege und der Superstar der Vermisstenstelle Düsseldorf, Walter Kuhn, Lucia als Kollegin. Etwas, das nicht selbstverständlich ist, denn die meisten der männlichen Kripo-Beamten sind der festen Meinung, dass Frauen in dem Beruf nichts zu suchen haben und an den Herd gehören. Aber nicht mit Lucia, meine Herren!
Die Kriminalistinnen ›Der stumme Zeuge‹, Mathias Berg, Emons Verlag, Taschenbuch, Seiten 320, ISBN 978-3-7408-2339-9, 14,00 Euro, Neuerscheinung 19. Juni 2025.