Schlagwort: Nachkriegszeit

Joanna Quinn: Das Theater am Strand

Joanna Quinn gehört zu den Menschen, die den Lockdown nutzten und endlich das taten, was sie schon immer machen wollten. Die Journalistin schrieb ihren ersten Roman. Und was für ein Debüt! Am Ende der 720 Seiten hatte ich das Gefühl, Jahre mit dieser lebhaften, fiktiven Familie verbracht zu haben. Dank der umfangreichen, guten Recherchen von Ms. Quinn ist die Geschichte reich an beschreibenden Passagen und Elementen, Authentizität und Bildhaftigkeit. Der Abschnitt über das Erwachsenwerden, die Schmerzen und der Prunk der Kindheit auf dem englischen Landgut ist eindringlich und kenntnisreich. Schillernd zeigt die Autorin die seltsame, einfallsreiche Magie auf, die von einer Gruppe von Kindern heraufbeschworen werden kann, wenn sie von selbstsüchtigen Erwachsenen vernachlässigt werden. Beaufsichtigt von einer vagen französischen Gouvernante bilden sie sich mit Büchern weiter, die aus dem Arbeitszimmer gestohlen wurden. Weiterlesen

Die Buchhändlerin, Ines Thorn

Gendermäßig würde ich als eine männliche Person bezeichnet. Lese ich jetzt ein Frauenbuch? Was ist überhaupt ein Frauenbuch? Bücher in denen die Geschichte sich um Frauen und mit Frauen dreht?  Sind Biografien über Frauen Frauenbücher? Dürfen Männer Frauenbücher lesen? Oder ist es gerade gut, wenn jetzt emanzipierte Männer Bücher von emanzipierten Frauen lesen?

Ich habe jedenfalls mit Freude den neusten Roman von Ines Thorn „Die Buchhändlerin“ gelesen. Eine Geschichte über den Werdegang und den Wünschen einer jungen Frau vom Ende des Nationalsozialismus bis in die fünfziger Jahre. Und am Ende war ich enttäuscht, nicht über das Buch, das ist großartig, nein, dass es zu Ende war. SCHADE!

Weiterlesen

5000km Freundschaft, Torben Kroker und Karl-Heinz Schulz

Ich war ein wenig skeptisch bei dem Buch. Denn der Roadtrip eines Vierundneunzigjährigen zusammen mit einem zweiundzwanzigjährigen jungen Mann ist das wirklich ein Buch wert? Vor allem erfüllt das Cover mit dem Foto der beiden erst einmal ein Klischee: Karl-Heinz Schulz, genannt Carlos, wirkt wie der griesgrämige Nachbar der Siedlung und Torben Kroker eher wie ein wohlerzogenes Bübchen ohne jegliche Lebenserfahrung. Aber weit gefehlt, denn die Reisebeschreibung ihrer fünftausend Kilometer in 2020 quer durch Europa, mit dem Ziel die Plätze wiederzusehen, an denen Carlos nach dem Krieg interniert war, sind überaus unterhaltsam. Die Reisebeschreibung von Torben Kroker mit allen Problemen die auftreten, wenn man mit einem Freund unterwegs ist, der dreiundsiebzig Jahre älter ist, sind nett geschildert. Aber auch die Highlights in Frankreich und vor allem Spanien machen Spaß und man kann menschlich nur den Hut vor dem jungen Mann ziehen. Dem werden Lebenserinnerungen an die Nachkriegszeit von Carlos gegenübergestellt, sodass man mit Carlos die Zeit in den Orten noch einmal erlebt.

Zwei sehr unterschiedliche Menschen, nicht nur wegen ihrer so unterschiedlichen  Lebensjahre, wagen eine außergewöhnliche Reise. Sie auf dieser Reise zu begleiten ist anrührend, interessant und spannend. Ein Abenteuer, zu dem Mut gehört und von dem beide sehr froh waren, es gewagt zu haben. Denn dieses Jahr im Januar 2022 ist Carlos mit sechsundneunzig Jahren verstorben.

Weiterlesen

Als Deutschland sich neu erfand – Die Nachkriegszeit 1945-1949, SPIEGEL-Buch

Als Deutschland sich neu erfand

Dieses Buch entstand aus der Reihe SPIEGEL GESCHICHTE, dem Heft (01/2018) „Die Nachkriegszeit, Als Deutschland sich neu erfand“. Daher ist jedes der Schicksale mit Zeitzeugenberichten versetzt, was die Betrachtung der noch jüngsten Vergangenheit umso einprägender und schonungsloser zeigt. Ob es um das Thema der Nachkriegsvergewaltigungen, des Verhungerns oder der verzweifelten Heimkehrer, die ihre Familie nicht finden können, geht oder um die Schicksale deutscher Flüchtlinge, die plötzlich Fremde im eigenen Land sind, die Briefe, Aussagen und Tagebucheintragungen erfassen die Fakten so gnadenlos, wie sie waren.

Würde jeder Mensch sich dieses Buch durchlesen und sich in die leidgeprüften Erlebnisberichte der Überlebenden hineinversetzten können, müssten wir nie wieder Angst vor Krieg haben.

Weiterlesen

Beate Sauer: Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée

Es ist schwer vorstellbar was unsere Mütter und Väter erlebt haben müssen in der Zeit nach dem Krieg. Ein weiser Mann hat mal gesagt: „Der Krieg hat einen langen Atem“. Dieser Atem war 1947 wohl ausgesprochen eisig. Es gab fast nichts und ein erwachsener Mensch musste mit 800 Kalorien am Tag auskommen. Das alles fast die Autorin in einen spannenden sprachlichen Rahmen. Sie spart nicht die Frage nach der Schuld und die Schrecken der Besatzungen durch die Alleierten aus. Eine weibliche Polizistin ist in dieser Zeit sehr ungewöhnlich und der Beginn einer Kriminalreihe mit Friederike Matthée, einer Heimatvertriebenen, die es nach Köln verschlagen hat. Weiterlesen