Schlagwort: Feminismus

Karin Erlandsson: Innehalten, Masche halten

Dass Stricken im Norden beheimatet ist, kann man angesichts der schönen, traditionellen Strickmuster aus Skandinavien und Großbritannien vermuten. Dass aber das älteste Fragment eines Stoffes, der gestrickt wirkt, vermutlich 8500 Jahre alt ist und in einer Höhle in Israel gefunden wurde, überrascht mich. Wie so viele andere Informationen in Karin Erlandssons erfrischend persönlichem Sachbuch. Im Plauderton erzählt die Autorin die Geschichte des Strickens, die ganz eng mit der 10.000-jährigen Geschichte der Schafe verknüpft ist. Ja, die Frage, muss ich das alles wissen, nur um einen Schal zu stricken, kann man stellen und man kann auch sagen, das muss man nicht alles wissen, aber: mit dem Wissen aus diesem Weiterlesen

Xiaolu Guo: Eine Sprache der Liebe

Ich bin beeindruckt, wie die beiden Protagonisten eine gemeinsame Sprache – und nicht nur für die Liebe –  finden und damit das Fundament für ein gemeinsames Leben legen. Sie, gleichzeitig die Ich-Erzählerin: eine junge Chinesin, ausgestattet mit einem 3-Jahres-Stipendium für ihre Doktorarbeit für das King’s College in London. Ihre Eltern starben kurz vor ihrer Abreise aus China. Sie will alles hinter sich lassen und es wird ein weiter Weg für sie in ein neues Leben. Er: Deutsch-Australier, Landschaftsgärtner mit Fernweh. Die Autorin, die sich als schonungslose Beobachterin zeigt, zeichnet ein lebendiges, nicht sonderlich schmeichelhaftes Bild ihrer neuen Umgebung und erzählt ihre Geschichte über Liebe, Multikulti, Immigration und Feminismus mit Charme und Poesie, schlicht und reduziert. In leicht bissigen Sätzen beschreibt sie die Hochs und Tiefs der Beziehung ohne jegliche Sentimentalität. Was die Geschichte vorantreibt, ist zum Teil die Spannung, die über der aufkeimenden Beziehung liegt: hat unsere Heldin einen riesigen Fehler begangen, indem sie sich mit einem Bootsliebhaber mit Fernweh einlässt? Aber da ist auch etwas fesselndes an dem Ausmaß der Welt, die die Erzählerin bewohnt. Das Buch bewegt sich flott von den Nordlondoner Kanälen nach Schottland, Australien, Deutschland und China. Auf diesem Weg gelingt es Guo, Momente tiefster Dunkelheit zu berühren und dabei beißend, witzig und – letztendlich – lebensbejahend zu sein. Die Autorin lässt ihren Charakteren Raum zu leben und zu leiden, was dem Buch eine schwer erkämpfte Qualität verleiht, die Gewicht trägt.

Foto: Getty Images

Xiaolu Guo wuchs in einer kleinen Stadt in Südchina auf und ist eine der interessantesten chinesischen Künstlerinnen ihrer Generation. Sowohl in China als auch international machte sie sich als Filmemacherin und Autorin einen Namen. 2013 gelang ihr der Sprung auf die „Granta’s list of Best Young British Novelists“. Ihre Romane wurden vielfach nominiert und ausgezeichnet, „Eine Sprache der Liebe“ stand auf der Shortlist für den Goldsmith-Preis. Xiaolu Guo lebt mit ihrer Familie in London und Berlin.

 

Eine junge Chinesin kommt nach London. Sie lässt alles hinter sich, will ein neues Leben beginnen. Doch in der fremden Kultur und der fremden Sprache fühlt sie sich zunächst nur einsam und verloren. Bis sie sich in einen australischen Landschaftsarchitekten mit britisch-deutschen Wurzeln verliebt. Eine vorsichtige Annäherung beginnt. Voller Neugier auf die Fremdheit des Anderen, aber auch voller kultureller Missverständnisse. Beide versuchen, eine tragfähige Sprache als Fundament ihrer Liebe zu finden. Kann diese Liebe für beide zu einer neuen Heimat werden? Authentisch, offen, aber auch mit viel Selbstironie beschreibt Xiaolu Guo die vielfältigen Verwirrungen zwischen West und Ost und erzählt eindrücklich von einer ungewöhnlichen Liebe.

Penguin Verlag – gebunden – 304 Seiten – 24 € – ISBN 978-328-60215-6

Gloria Naylor: Linden Hills

 

Nach ihrem fulminanten Debütroman Die Frauen von Brewster Place ließ Gloria Naylor fünf Jahre später den fiktiven Roman» Linden Hills« folgen. Was es ihr und ob es ihr etwas bedeutet hätte, dass die beiden Bücher neuaufgelegt in deutscher Sprache erschienen sind, werden wir nicht erfahren und müssen uns mit Mutmaßungen begnügen. Wahrscheinlich wäre sie stolz und zufrieden. Zieht man in Betracht wie sie sich zeitlebens mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandergesetzt hat und Literatur und Kreatives Schreiben an diversen amerikanischen Universitäten unterrichtet hat, würde sie sich vielleicht fragen, ob aus dem derzeitigen Hype um schwarze Literatur ein dauerhaftes Interesse an dieser bleibt. Thema ihres zweiten Romans ist der amerikanische Traum. Naylor schreibt darüber leidenschaftlich, scharf und schnörkellos und gewährt dem Leser einen anspruchsvollen Einblick in die moderne Klassenhierarchie, eingebettet in die schwarze Kultur. Weiterlesen

Gloria Naylor: Die Frauen von Brewster Place

 

Mit ihrem Debütroman »Die Frauen von Brewster Place« legte Gloria Naylor vor 40 Jahren den Grundstein für ihre äußerst steile Karriere und inspirierte Oprah Winfrey eine erfolgreiche Miniserie basierend auf dem Buch zu produzieren, in dessen Zentrum sieben schwarze Frauen stehen. Jede Geschichte in Die Frauen von Brewster Place für sich genommen ist fesselnd und obwohl jede Geschichte nur tangential mit jeder anderen Geschichte verbunden ist, bietet die Autorin eine Gesamteinheit, die den Roman trägt. Und zwar nicht in herkömmlicher linearer Struktur, sondern unter Verwendung von mehreren Miniplots, die das Leben der einzelnen Protagonistinnen beleuchten und der Autorin ermöglichen, sich auf die Charaktere zu fokussieren. Und es gelingt Naylor ihre Figuren überzeugend zu entwickeln. Jede Frau wird mit ihrer eigenen einzigartigen Persönlichkeit präsentiert, die fein ausgearbeitet ist, so dass sie sowohl einprägsam als auch kraftvoll daherkommt. Weiterlesen

Uwe M. Schneedes: „Paula Modersohn-Becker. Die Malerin, die in die Moderne aufbrach“

Gastrezension: Dr. Ulrike Bolte

In seiner umfassenden Monografie über Paula Modersohn-Becker legt der Kunsthistoriker Uwe Schneede sein Gewicht auf ihre Stellung als Überwinderin des Impressionismus und Vorhut der expressionistischen Avantgarde. Zusammenfassend beschreibt Schneede Paula Modersohn-Becker als „Einzelgängerin und zugleich als Teil des Pariser Aufbruchs in die Moderne, die beharrlich ihren Weg ging, sich nicht um ein mögliches Publikum scherte.“ Sie suchte „formale inhaltliche Möglichkeiten für eine eigengesetzliche, stets figurative Malerei, erprobte stilistisch die malerischen Mittel ihrer Zeit und bildete eine eigene Ikonographie heraus“ und brach damit eigensinnig in die Moderne auf. Die gut lesbare Monographie verquickt geschickt Paula Modersohn-Beckers Leben und Werk mit ihrer Zeit und den künstlerischen Strömungen. Äußerst lesenswert und eine gute Ergänzung zur Ausstellung über Paula Modersohn-Becker in der Frankfurter Schirn, deren Katalog hier leider nicht mit berücksichtigt werden konnte. Weiterlesen

Busengewunder, Lisa Frühbeis und ein Interview mit der Autorin

Fast schelmisch oder besser gesagt verschmitzt sind Lisa Frühbeis’ illustrierte Geschichten über den täglichen Kampf der Frau in unserer Gesellschaft. Dabei sind ihre Beobachtungen des feministischen Alltags messerscharf wiedergegeben und liebevoll gezeichnet. Es ist eine echte Freude sich durch diesen Comic zu blättern und zu schmökern. Dabei kommen einem viele Lacher, einige Ahas und als Frau auch mal ein bisschen Wut. Großartig, wer Franziska Beckers feministische Comics kennt und liebt, wird sich die Sahnestückchen von Lisa Frühbeis nicht entgehen lassen.

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Meg Wolitzer: „Das weibliche Prinzip“

Gastrezension: Dr. Ulrike Bolte; Kunsthistorikerin.

In ihrem neuen Roman breitet Meg Wolitzer einen Überblick über die Geschichte des (amerikanischen) Feminismus anhand von differenziert gestalteten Charakteren aus. Das gut lesbare Buch bietet einen Überblick über den Feminismus, seinen Kampf für die Rechte der Frauen, seine Ideale, wobei es bei aller Ernsthaftigkeit auch manchmal originell auftritt (wie die Erwähnung von Faith Franks Buch von 1984 „Das weibliche Prinzip“), phasenweise aber auch langatmig wirkt. Zum Schluss soll Greers Wunschadresse an Faith zitiert werden:
„Du hast im College für eine Offenbarung gesorgt. Danach habe ich jahrelang beobachtet, wie du alles, was du aufzubieten hattest – deine Kraft, deine Ansichten, deine Großzügigkeit, deinen Einfluss und natürlich deine Wut über Ungerechtigkeiten, alles zusammen – , anderen Frauen geschenkt hast, was oft passiert ist: die lange und großartige Geschichte von Frauen, die alles an andere weiter geben. Vielleicht ist das ein Reflex, manchmal auch eine Pflicht; aber wir tun es stets in dem Gefühl, dass es notwendig sei.“ Weiterlesen

Wir waren doch mal Feministinnen, Vom Riot Grrrl zum Covergirl. Der Ausverkauf einer politischen Bewegung, Andi Zeisler

Feminismus scheint über das Fernsehen, Film und den sozialen Netzwerken in aller Munde zu sein. VIPs schreiben sich das Wort Feminismus genauso auf ihr Image, wie es auf Unterhosen und T-Shirts gedruckt wird. Doch warum, wofür. Ob jemand wirklich den Feminismus öffentlich lobt oder nur für sich vereinnahmt, lässt sich nur sehr schwer unterscheiden. Wenn eine ernste politische Bewegung für das Geldverdienen vereinnahmt wird, tut es dann der Sache an sich noch gut?

Darum geht es der Autorin, Andi Zeisler in ihrem ganz hervorragenden Buch. Hier wurde vieles ausgesprochen, was schon viel länger hätte gesagt werden müssen. Für alle Feministen, ob Frau oder Mann wird dieses Buch ein weiterer Augenöffner sein. Für alle Leser, die sich noch nie wirklich mit dem Thema Feminismus auseinandergesetzt haben, ist dieses Buch ein guter Grund damit zu beginnen. Brillant, interessant und eine bemerkenswerte Recherche, gratuliere Frau Zeisler!

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Undine de Rivière: Mein Huren-Manifest, Inside Sex-Business

Mein Huren-Manifest von Undine de Riviere

Eine Streitschrift zum Thema Prostitution von einer Frau die sich im Sexarbeiter_Innen Geschäft auskennt. Im Besonderen liegt sie im Streit mit Feministinnen, die meinen, dass Sexarbeit eine Versklavung der Frauen bedeutet. Durch die eigenen Erfahrungen und durch den Kontakt mit Kolleginnen kommt sie zu sehr differenzierten Aussagen über Sexarbeit. Die unterschiedlichsten Auslebungen der Sexualität werden beleuchtet. Die Autorin vermeidet aber die Wertungen über diese Formen. Ein Buch das hilft Prostitution ohne Scheuklappen zu sehen und differenziert zu betrachten. Weiterlesen