Alle Artikel von Elke Rossmann

Feuer auf den Bergen, Romina Casagrande

Hinterer Seelenkogel ist mit einer Höhe von mehr als dreitausend Meter der zweithöchste Gipfel im Gurgler Kamm der Ötztaler Alpen. Auf seiner Spitze verläuft die Grenze von Italien zu Österreich. 1978 ein gefährlicher Berg für die italienischen Schmuggler, denn vom Schmuggeln lebten die meisten Familien, in der Zeit, als immer mehr Bauern ihre Höfe nicht mehr halten konnten und am Hungertuch nagten. Alkohol, Armut und Brutalität sind auf jedem Hof zu finden. Auch auf dem Hof, von dem der Junge mit dem Halbwolf in die Wälder flieht. Der Junge der sich Hasenohr nennt und seiner Vergangenheit davonläuft. Als es Winter wird und er fast verhungert, landet er im Haus von Pa und lernt dort Luce, sein Tochter kennen. Doch für sein Brot muss man arbeiten und das heißt bei Pa, man muss schmuggeln. Vierzig Jahre später verschwindet auf der österreichischen Seite ein kleiner Junge und der stille, am Berg sehr erfahrene Jan wagt sich auf den Seelenkogel, um ihn zu suchen. Schnell stellt er fest, dass der Junge sich nicht verlaufen hat, er läuft vor etwas davon. Auch wenn sich die Welt verändert, manche Schicksale tun das nie.

Ein überaus berührender Roman über das Leben in den Grenzgebieten Südtirols zu Österreich. Die authentischen Charakteren sind so faszinierend, dass man beim Lesen neben ihnen steht. Eine spannende große Geschichte mit viel Tiefgang und umso mehr Geheimnissen. Das Buch ist eine echte Überraschung von einer Insiderin aus Meran.

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Richter jagen besser, Thorsten Schleif

Wie schön, dass die Reihe um Siggi Buckmann, dem etwas anderen Amtsrichter weitergeht. Mit Richter jagen besser legt Autor Thorsten Schleif, seines Zeichens selbst Amtsrichter und damit Experte auf dem Gebiet, wieder einen spannenden, witzigen und sehr unterhaltsamen Krimi hin. Scheininvestmentfirmen, Russenmafia, durch und durch korrupte Politiker und Justitia, die gar nicht daran denkt blind und damit unparteilich zu sein. Der Selbstmord seines pensionierten Mentors schockierte Siggi und auch seinen Staatsanwaltsfreund Ulli schwer. Schnell finden sie heraus, dass Jochen völlig verschuldet war, etwas dass überhaupt nicht zu dem rechtschaffenden ehemaligen Richter passt. Und dann taucht da auch noch diese Journalistin auf, die sich Buckmann nähert, um einen Artikel über den Tod des Drogenkönigs Ercan Ayaz, den Siggi auf dem Gewissen hat, zu ermitteln. Es wird mal wieder eng an allen Fronten!

Auch mit Teil II der Siggi Buckmann Serie hat Thorsten Schleif sein Talent als Autor bewiesen. Eine Mischung aus Krimi, Komödie, bitterer Wahrheit und menschlichen Verfehlungen. Großartig!

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Davonkommen, Fabio Andina

Davonkommen ist ein Roman, der den Leser in vieler Hinsicht aufwühlt. Erst fällt es einem schwer die Gedanken, des emotional so schwer verletzten Mannes zu folgen. Kein Wunder, denn es erzählt ein Mensch, der sich mit allen möglichen Psychopharmaka und Bier betäubt. Und der Autor findet die richtigen Worte für diesen Zustand, denn die Beschreibungen sind chaotisch, rastlos und manchmal von Erinnerungslücken gezeichnet. Als es dem Vater, der seine Frau und auch seinen geliebten Sohn durch eine Scheidung verliert, besser geht, wird das Buch systematischer, nachvollziehbarer und sehr, sehr emotional. Die Liebe zu seinem Sohn ist greifbar und es treibt einen die Tränen in die Augen, wie beide, Vater und Sohn, in der Ruhe und durch sich selbst anfangen zu heilen.

Eines der bewegendsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Von einem Autor, der wahrlich erzählen kann, sowohl vom Chaos im Leben, als auch von den großen einzigartigen Gefühlen, der Liebe zu und von einem Kind.

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Film: Alle reden übers Wetter DVD und Blu-Ray

Definitiv sind die Adjektive „unaufgeregt“ und „tief“, wie für diesen Film gemacht. Die Ruhe mit der die zynisch, intellektuellen Hochschul-Kreisen in der Hauptstadt oder der kopfgesteuerte, saloppe Umgang mit Ex-Männern und deren neuer Familie gezeigt wird, macht den Zuschauer regelrecht kribbelig. Solange Clara, die Dozentin, die gerade ihren Doktor macht, in Berlin ist, wirkt auch sie unaufgeräumt. Sie kann sich weder für noch gegen ihre Affäre zu einem Studenten entscheiden. Ihrer Doktormutter Margot die Stirn zu bieten ist ebenfalls nicht drin, doch am schlimmsten ist es, wenn das Gespräch auf ihre ostdeutsche provinzielle Herkunft kommt. Als sie mit ihrer jugendlichen Tochter Emma zum 60. Geburtstag ihrer Mutter zurück in die Provinz fährt, scheint dort die Zeit stehen geblieben. Zwar wird Clara ruhiger bei den Leuten ihrer Vergangenheit, ist aber mittlerweile keine mehr von ihnen und wird selbst zur Beobachterin. Und im Endeffekt ist es egal, ob als intellektueller Überflieger im Westen oder Landpomeranze im Osten, in beiden Strukturen reden alle nur übers Wetter. Nur so kann man vermeiden, auf den schmerzhaften Kern der Dinge zu kommen.

Ich war durch und durch begeistert. Der Film fängt die Landbevölkerung im Osten genau wie die sogenannte hippe Berliner Society einem Dokumentarfilm gleich ein. Das pralle wahre Leben starrt einem entgegen. Nicht nur hat die Regisseurin Annika Pinske genau hingesehen, wie solche Strukturen funktionieren, sie hat die Menschen auch äußerst realistisch wiedergegeben. Das hat auch viel mit den schauspielerischen Leistungen zu tun. Nicht nur die Hauptprotagonisten, sondern auch alle Nebenrollen treffen den richtigen Ton. So wird der Zuschauer zum Voyeur und fühlt sich manchmal auch so. Sehr sehenswert! Weiterlesen

Elternabend, Sebastian Fitzek

Eigentlich bespricht man Weltbestseller Autoren kaum noch. Rezensionen sind den neuen eher unbekannten Autorinnen und Schriftstellern vorbehalten. Doch Sebastian Fitzek hat etwa gemacht, was mutig ist und bei vielen Autoren schon schief ging. Er hat das Genre gewechselt. Vom Blut aufwischenden Thrillerautoren, der manchmal so brutal wurde, das selbst hartgesottene Leser zuckten, zum leichten Geschichtenerzähler mit viel Humor aber auch einem scharfen Auge für das Alltägliche. Gratuliere Herr Fitzek, Sie haben mich dazu gebracht, bei Ihrer Geschichte laut zu lachen, in mich hineinzugickeln, zu schmunzeln, zu grinsen und manchmal auch zu seufzen. Wüsste man es nicht, dann würde man die Geschichte Elternabend niemals Sebastian Fitzek zuordnen.

Elternabend ist eine tiefsinnige Komödie, die viel Stoff zum Zustimmen gibt. Dabei musste der Autor seine Protagonisten gar nicht großartig überzeichnen. Ein genaues Hinsehen hat gereicht, um die Realität zu einer Persiflage werden zu lassen. Großartig! Und da der Autor am amüsanten anscheinend Gefallen gefunden hat, freuen wir uns auf sein nächstes Buch: Der erste letzte Tag. Die Leseprobe lag bei und die Mundwinkel zuckten schon wieder hoch und ich dachte, ach du lieber Himmel, genau, wer kennt solche Situationen nicht!

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Witwenwald, Kristoffer Bark Reihe II, Anna Jansson

Wie es scheint setzt Anna Jansson auf ihr Erfolgsrezept vom ersten Band. Denn ihre Protagonisten sind auch in Witwenwald wieder eine Ansammlung von reichlich kaputten Seelen, die sich alle mehr oder weniger verdächtig machen. So stolpert man als Leser wieder durch die recht spannende Geschichte und möchte jedem der Charaktere inklusiver Kristoffer Bark helfen. Denn logisches Handeln ist selbst bei einer Polizistin nicht selbstverständlich. Obwohl, wenn man einen richtigen Burn-out hat, fehlt vielleicht die Logik?

Fazit: Prima Fortsetzung mit viel Spannung. Manchmal zu brutal aufgetischt, das hätte auch mit leiseren, raffinierteren Effekten passieren können. Hier und da eine Wiederholung zu viel für meinen Geschmack. Nichtsdestotrotz wächst einem Kristoffer Bark ans Krimiherz und sein Team wächst so langsam auch! Weiterlesen

Mause Märchen – Riesengeschichte Ein halbes Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahre

Das halbe Bilderbuch ist eine ganz fantastische Idee für ein Kinderbuch, denn die zwei Geschichten von der Haselmaus, die einfach keine Angst vor nichts hat und dem sehr scheuen, furchtsamen Riesen Bartolo, treffen sich einfach in der Mitte. Und was dann passiert, bleibt der Fantasie der Kinder überlassen. 1985 erschien das Kinderbuch als Originalausgabe und wurde jetzt wieder aufgelegt. Und das Thema der beiden Hauptpersonen, die so anders sind, als man es von ihnen erwartet und dadurch gemieden werden und keine Freunde finden, ist heute aktueller denn je!

Ich bin immer wieder begeistert, wie manche Autoren und in diesem Fall auch Illustratorin eine Kindergeschichte altersgerecht und so liebevoll auf Papier bringen können. Ein wahrhaft schönes Bilderbuch zum Vorlesen und Ansehen für Kinder ab 4 Jahre.

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Sturmnacht, Die dunklen Fälle des Harry Dresden, Jim Butcher

Harry Blackstone Copperfield Dresden, er hat die Namen von berühmten Magiern, wobei ich mich frage, ob Harry von Harry Potter stammte. So wie ich den Autor Jim Butcher nach dem Buch einschätze, ist es wahrscheinlich genauso gemeint.

Die dunklen Fälle des Magier/Privatdetektiven Harry Dresden könnte man mit den gräulichen und schauderhaften Abenteuern von John Sinclair vergleichen, wenn man sich nicht wie bei Harry Dresden zwischendurch vor Lachen wegschmeißen müsste. Denn eigentlich ist dieser mächtige Magier eher der Antiheld. Er stapft in jedes Fettnäpfchen, hat es nicht so der Weiblichkeit und steht ständig mit einem Bein in der Hölle oder vor dem Tribunal des weißen Rates. Und wenn der Magier die Hilfe von Elfen braucht, dann beschwört er sie nicht, sondern besticht sie lieber mit Pizzalieferungen. Tja, selbst so ein Magier hat es nicht leicht!

Die Romane um Harrys Fälle machen Spaß, sind schnell mal weggelesen und ideal für einen Urlaubstrip. Und das Gute daran, es gibt fünf weitere Bücher aus der Serie. Weiterlesen

Die Kriminalistinnen, Tod eines Blumenmädchens, Mathias Berg

Die Anfänge der Frauen bei der Kripo im Jahr 1969. Selbst Weltbestsellerautorin Karin Slaughter hat den Anfänger der Polizistinnen in Atlanta einmal ein sehr spannendes Buch gewidmet. Jetzt tut das Mathias Berg mit dem ersten Teil seiner Kriminalistinnen in Düsseldorf. Sechs Frauen, die eine Ausbildung zur Kriminalistin durchlaufen, in Zeiten, in denen Ehemänner noch dem Berufswunsch und dem Geldverdienen ihrer Ehefrauen zustimmen mussten. Zeiten in denen Frauen des Mannes Zierde, oft nur Gebärmaschinen waren und nicht gerade mit Respekt von vielen Männern behandelt wurden. Besonders schwer war es bei der Kripo, denn der alte Zeitgeist beherrschte weiterhin die Exekutive. Mathias Berg erzählt seine Geschichte aus dem Blickwinkel von Lucia, die es unbedingt schaffen und mit Hartnäckigkeit und Brillanz den Mord an dem Hippie-Mädchen Lena aufklären will. Dabei ist der Autor sehr feinfühlig, was diese sechs Frauen angeht und trifft die Stimmung und den Zeitgeist mit dem Nagel auf den Kopf.

Ein spannender Krimi und eine tolle Geschichte über Emanzipation von Frauen in den Sechzigern, die den Leser in eine atmosphärisch dichte Zeit katapultiert, die bis ins kleinste Detail glaubhaft und mitreißend beschrieben ist. Ein toller erster Teil Herr Berg, wir hoffen, das ist nur der Anfang!

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Film: Freibad, Doris Dörrie, DVD und Blu-ray

Freibad ist ein mittelmäßiger Klamauk, denn sehr viel mehr kann man beim besten Willen nicht in dem Film hineininterpretieren. Bestimmt hatte die Drehbuchautorin und Regisseurin Höheres geplant, doch der Anspruch ging unterwegs etwas verloren. Was eigentlich schade ist, denn das Thema ist super und hätte viel mehr hergeben können. Es hätte eine Satire oder eine zynische Erzählung aus unserer  „Woke-Zeit“ werden können. In der das Wort „Woke“, eigentlich ein Ausdruck, der für das Bewusstsein gegen Rassismus und mangelnder sozialen Gerechtigkeit steht, sich langsam schon zu einem Negativum entwickelt hat. So spult sich ein manchmal witziger Film, der durch seine Schauspieler und nicht unbedingt durch seine Handlung wirkt vor unseren Augen ab. Das einzige Frauenbad Deutschlands wird zur Drehscheibe der Kulturen und vielem mehr. Frauen, die unterschiedlicher  Kultur, Hautfarbe, Geschlechtsidentitäten und vor allem Meinungen sind. Richtig interessant ist es, das sich alle dort im Frauenfreibad über den Nächsten aufregen und manchmal zu Separatitinnen werden. Doch separiert man sie, passt das dann auch nicht.

Dieser Film von Doris Dörrie hat mich nicht überzeugt, aber er ist ein gutes Thema für Diskussionen mit Freunden. Daher sehen Sie ihn sich ruhig an. Er wird bestimmt einen interessanten Diskurs anregen, denn um ihn einfach von der Hand zu weisen, dafür ist er zu brisant. So kam der Film bei den Besprechungen der FAZ und Süddeutschen auch erstaunlich gut davon. Bei beiden Zeitungen hatte ich den Eindruck es war zwar kein Verriss, aber auch ein eher zögerliches Lob, das man zwischen den vielen Zeilen suchen musste.

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