Rebecca Gablé: Die fremde Königin, Historischer Roman

Die fremde KöniginWieder einmal versteht es die Autorin das Mittelalter lebendig werden zu lassen. Spannend wird die Leserschaft an die Königspfalzen von Otto I versetzt und sieht zu wie Intrigen gesponnen, Eide gebrochen und zarte Bande geflochten werden. Otto I hatte viele Geschwister und Halbgeschwister sowie viele unehelich gezeugte Kinder der Königsfamilie, sogenannte Bastarde. Einer davon ist er Protagonist Gaidemar, der viele Abenteuer und Schlachten erleben muss. Der Roman zeigt aber auch auf, dass es schon im Mittelalter so etwas wie ein Europa der Vielfalt gab.

 

Rebecca Gable Foto: Fine Pic

Rebecca Gable
Foto: Fine Pic

Rebecca Gablé, ihr Autorenname, studierte Literaturwissenschaft, Sprachgeschichte und Mediävistik in Düsseldorf, wo sie anschließend als Dozentin für mittelalterliche englische Literatur tätig war. Heute arbeitet sie als freie Autorin und lebt mit ihrem Mann am Niederrhein und auf Mallorca. Ihre historischen Romane und ihr Buch zur Geschichte des englischen Mittelalters wurden allesamt Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Besonders die Romane um das Schicksal der Familie Waringham genießen bei Historienfans mittlerweile Kultstatus.

„Könige sind wie Gaukler. Sie blenden die Untertanen mit ihrem Mummenschanz, damit die nicht merken, dass das Reich auseinanderfällt“

Anno Domini 951: Der junge Gaidemar, ein Bastard vornehmer, aber unbekannter Herkunft und Panzerreiter in König Ottos Reiterlegion, erhält einen gefährlichen Auftrag: Er soll die italienische Königin Adelheid aus der Gefangenschaft in Garda befreien. Auf ihrer Flucht verliebt er sich in Adelheid, aber sie heiratet König Otto.

Dennoch steigt Gaidemar zum Vertrauten der Königin auf und erringt mit Otto auf dem Lechfeld den Sieg über die Ungarn. Schließlich verlobt er sich mit der Tochter eines mächtigen Slawenfürsten, und der Makel seiner Geburt scheint endgültig getilgt. Doch Adelheid und Gaidemar ahnen nicht, dass ihr gefährlichster Feind noch lange nicht besiegt ist, und als sie mit Otto zur Kaiserkrönung nach Rom aufbrechen, droht ihnen dies zum Verhängnis zu werden.

Rebecca Gablé, Bestsellerautorin und Schöpferin der populären Waringham-Saga, hat nun mit ihrem Historienepos „Otto der Große“ ein weiteres Meisterwerk geschaffen. Nach „Das Haupt der Welt“ ist „Die fremde Königin“ der zweite Band der mittelalterlichen Romanreihe.

Ein Roman der zeigt wie vielfältig und verzweigt die Familien der Königshäuser waren und noch heute sind. Die Macht, so meinen sie, auf die sich diese Königshäuser berufen, sei ihnen von Gott gegeben. Damit waren sie absolutistisch und niemandem Rechenschaft schuldig. Die Ehre der Könige hat vielen einfachen Menschen den Tod gebracht. Dies wird sehr gut durch den Roman deutlich. Absolut lesenswert.

Im Interview erzählt Rebecca Gablé über ihren Roman „Die fremde Königin“

Mit »Die fremde Königin« erscheint nun Ihr zweiter historischer Roman, der in Deutschland spielt. Was war die Initialzündung für einen Roman, der in der Zeit Ottos des Großen spielt?

Die Neugier aufs deutsche Mittelalter. Da saß ich eines Tages und überlegte, worüber ich meinen nächsten Roman schreiben wollte, und mir kam in den Sinn, dass ich zwar die Sockenfarbe der Könige des englischen Mittelalters kannte (na ja, in Einzelfällen …), aber über das deutsche Mittelalter bestenfalls einen groben Überblick hatte. Ungefähr zur selben Zeit fiel mir ein Buch über »Die deutschen Herrscher des Mittelalters« in die Hände, und als ich es las, entdeckte ich so etwa ein potenzielles Romanthema pro Seite. Mit Otto dem Großen habe ich begonnen, weil viele Historiker in seiner Regentschaft den Anfang der deutschen Geschichte im engeren Sinne fest machen. Seine facettenreiche Geschichte konnte ich aber in »Das Haupt der Welt« nicht vollständig erzählen, das hätte jeden Rahmen gesprengt. Darum war für mich immer klar, dass ein zweiter Roman über diese faszinierende Epoche folgen würde, und hier ist er nun.

Wie fühlte es sich an, ins Ottonische Zeitalter zu reisen?

Beschwerlich. Es ist uns noch viel ferner als das Hochmittelalter mit seinen Rittern und Minnesängern und edlen Damen. Das 10. Jahrhundert war eine raue Zeit, und vieles, was wir gerne darüber wüssten, liegt im Nebel. Der Umgang der Menschen miteinander, ihre Werte und ihre Art, Konflikte zu lösen – »zu beseitigen« träfe es wohl besser – ist oft abstoßend aus heutiger Perspektive. Und trotzdem. Es geht eine enorme Faszination von dieser Epoche und ihren Menschen aus. Zwischen all dem Befremdlichen entdecken wir immer wieder Vertrautes und berührend Menschliches, und außerdem entdecken wir im Reich Ottos des Großen die Samenkörner, aus denen das Europa wuchs, welches wir heute bevölkern.

Beschreiben Sie bitte Ihre reale Hauptfigur, Königin Adelheid.

Adelheid war eine klasse Frau, ich war manchmal ganz atemlos vor Bewunderung. Der Begriff der »starken Frauenfigur im historischen Roman« wird ja vielleicht manchmal ein wenig überstrapaziert, aber es ist Fakt, dass Adelheid sich als junge Witwe und Mutter mit neunzehn Jahren buchstäblich mit bloßen Händen einen Weg aus dem Verlies gegraben hat, wo der Mörder ihres Mannes sie eingesperrt hatte. Sie war aber noch mehr als unbeugsam und tatkräftig. Sie war – und das hat mich wohl am meisten interessiert – machtbewusst und fand es kein bisschen anstößig für eine Vertreterin ihres Geschlechts, ins politische Geschehen einzugreifen. Otto verdankte seine Kaiserkrone nicht zuletzt ihrer klugen Politik und das wusste er selbst ganz genau: Auf seinen Wunsch hin wurde Adelheid mit ihm zur Kaiserin gekrönt.

Und wie würden Sie Ihre fiktive Hauptfigur charakterisieren, den Panzerreiter Gaidemar?

Gaidemar ist ein Bastard und in der Obhut pflichtbewusster, aber liebloser Pflegeeltern aufgewachsen. Den Makel seiner unehelichen Geburt und die Ungewissheit über seine Herkunft trägt er wie eine Last auf den Schultern. Seine Identität findet er in seiner Rolle als Panzerreiter, bis er als Folge einer Intrige auch das verliert. Durch seine Begegnung mit Adelheid und die Horizonte, die sie ihm eröffnet, erfindet er sich nach und nach neu und lernt, dass auch der tapferste und raubeinigste Panzerreiter irgendwann den Mut finden muss, seinen Panzer einmal abzulegen.

Welche Nebenfigur hat Sie in DFK besonders fasziniert?

Prinz Liudolf, Ottos erwachsener Sohn aus erster Ehe. Er war in gewisser Weise eine tragische Figur, denn sein Vater hat ihm nie viel zugetraut, und als der König Adelheid heiratete und neue Prinzen zur Welt kamen, sah Liudolf seine Position so bedroht, dass er gegen den übermächtigen Vater rebellierte. Damit ist er gründlich auf die Nase gefallen, aber er ist wieder aufgestanden und hat weiter an sich geglaubt. Das hat mir besonders an Liudolf gefallen.